Die Begabungsförderung wird trotz der Vorgabe, alle Schüler:innen entsprechend ihrer individuellen Voraussetzungen und Bedürfnisse zu fördern, unter Lehrkräften immer noch häufig als Luxusthema abgestempelt (KMK, 2004; Solzbacher, 2007). Durch den zunehmenden Wandel des modernen Bildungswesens steigen jedoch die Anforderungen an Lehrkräfte und deren Professionalisierung (Van Tassel-Baska, 2005). Um allen Schüler:innen im Sinne der Inklusion einen uneingeschränkten Zugang zu Bildung und individuellen Entwicklungsmöglichkeiten zu verschaffen, müssen Lehrkräfte entsprechend aus- und weitergebildet werden (Behrensen & Solzbacher, 2019). Damit Lehrkräfte eine individuelle Begabungsförderung gewährleisten können, müssen bestehende globale Begabungskonzepte an die jeweiligen Fächer angepasst und fachspezifisch ausdifferenziert werden (iPEGE, 2014). Diese fachspezifische Perspektive wurde innerhalb der empirischen Forschung bis dato jedoch wenig Aufmerksamkeit geschenkt (Kiso & Fränkel, 2021).
Um ein wissenschaftlich fundiertes Konzept der biologisch-naturwissenschaftlichen Begabung zu generieren und anhand dessen verständliche und anwendbare Förderungsmethoden zu entwickeln, sollen im Zuge des Forschungsvorhabens zwei übergeordnete Aspekte beleuchtet werden (s. Abbildung).
Um Schüler:innen entsprechend ihrer speziellen Begabungen fördern zu können, müssen diese erkannt und identifiziert werden. Dafür sollen innerhalb des ersten Aspekts Möglichkeiten der Identifizierung von biologisch-naturwissenschaftlich begabten Schüler:innen empirisch geprüft werden. Das aufgebaute Verständnis soll anschließend Fachlehrkräften zur Verfügung gestellt werden, um diese im Bereich der Diagnostik zu professionalisieren.
Eine aktuell geplante Studie überprüft dazu die Diagnostikfähigkeiten von Fachlehrkräften zu verschiedenen Facetten der biologisch-naturwissenschaftlichen Begabung. Dazu werden die Einschätzungen in Bereichen der Intelligenz, der naturwissenschaftlichen Fähigkeiten und der Motivation mit den tatsächlichen Antwortergebnissen von Schüler:innen abgeglichen. Dadurch soll die Nominierung durch Lehrkräfte als Methode zur Auswahl begabter Schüler:innen geprüft werden. Eventuelle Diskrepanzen sollen als Grundlage für die Entwicklung möglicher Methoden und Hilfsmittel zur Identifizierung dienen.
Der zweite Bereich des Forschungsvorhabens bezieht sich auf die Förderung biologisch-naturwissenschaftlich begabter Schüler:innen. Hierbei werden im Rahmen des Projekts Kolumbus-Kids verschiedenste Persönlichkeitsmerkmale begabter Schüler:innen untersucht, um individuelle Bedürfnisse zu ermitteln. Anhand der Ergebnisse werden entsprechende didaktische Methoden entwickelt und auf ihre Wirksamkeit hin untersucht. Die Erkenntnisse sollen sowohl für die Weiterentwicklung des Projekts genutzt werden als auch angehenden und praktizierenden Lehrkräften für ihre Professionalisierung zur Verfügung gestellt werden. In einer groß angelegten Studie wurden hier bereits erste Erkenntnisse bezüglich der Big Five Persönlichkeitsstruktur (McCrae & Costa, 2008) und des Selbstkonzepts (Schöne et al., 2012) der Teilnehmer:innen des Projekts ermittelt. Die Ergebnisse liefern die Grundlage für die tiefergehende Erforschung personenbezogener Konstrukte, wie beispielsweise soziale Kompetenzen, Bewältigungsstrategien, Kreativität und Perfektionismus (etc.), die in die Konzeption von Förderungsmethoden einfließen sollen.
Studierende haben die Möglichkeit, das Forschungsvorhaben im Rahmen ihrer Abschlussarbeiten oder des Projektmoduls zu begleiten. Durch die Begleitung der Studien wird die Chance geboten, ein tieferes Verständnis für die Begabungsförderung aufzubauen und sich als angehende Lehrkraft dahingehend zu professionalisieren. Dabei können jederzeit eigene Forschungsschwerpunkte bezüglich der vorgestellten Forschungsbereiche gewählt werden.
Bei Interesse, Fragen oder Hinweisen melden Sie sich gerne per Mail bei colin.peperkorn@uni-bielefeld.de.