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{VORREDE}
Am 4. Mai 1771.
Am 10. Mai.
Hinweise und Anspielungen auf literarische Werke gibt es im 'Werther' in zweifacher Form: solche, die offen von Werther selbst stammen, und solche, die Goethe gleichsam hinter seinem Rücken gebraucht. Klar gegeneinander abgrenzen lassen sie sich allerdings nicht, da auch die verdeckten literarischen Reminiszenzen teilweise Werther zugerechnet werden könnten - je nachdem, wieviel literarisches Bewußtsein man ihm in der Abfassung seiner Briefe zutraut. Daß Goethe an eine solche Ausdifferenzierung gedacht hat, ist allerdings auszuschließen.
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Die Aussage Werthers, "Ich könnte jetzt nicht zeichnen, nicht einen Strich, und bin nie ein größerer Maler gewesen als in diesen Augenblicken", dürfte man als literarische Reminiszenz aber nur Goethe zurechnen. Sie erinnert an Lessings Trauerspiel "Emilia Galotti", welches jedoch erst im Frühjahr 1772 erschien, mithin Werther 1771 noch nicht bekannt gewesen sein könnte. Dort sagt Conti im Gespräch mit Gonzaga in I/4, "daß ich wirklich ein großer Maler bin, daß es aber meine Hand nur nicht immer ist", und er gibt zu bedenken, ob nicht jemand wie Raffael selbst dann "das größte malerische Genie gewesen wäre, wenn er unglücklicherweise ohne Hände wäre geboren worden". - Die Idee, die hinter dieser - eigentlich unsinnigen - Annahme steckt, ist kennzeichnend für den Genie-Begriff des Sturm und Drang, kommt vollends aber erst in in der Romantik zum Durchbruch: das Gefühl für das Schöne, das Kunstwerk in der Phantasie zählen mehr als alles Ausdrücken- und Abbilden-Können. Ob für Werther damit eine Neigung zur Selbstüberschätzung angedeutet werden soll, ist schwer zu entscheiden.
Am 12. Mai.
Melusine - französische Sagengestalt, die halb Weib, halb Fisch ist und nach der enttäuschten Liebe zu einem Mann wieder in die Wasserwelt zurückkehrt. Dieselbe Gestalt kommt in der Literatur auch als Undine oder - im Märchen von Hans Christian Andersen - als "kleine Meerjungfrau" vor.
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Daß die "Altväter" am Brunnen Bekanntschaft machen und freien, bezieht sich auf die Bibel. Im Alten Testament wird im 1. Buch Moses, Kap. 24, in den Versen 11-20 die Brautwerbung für Abrahams Sohn Isaak erzählt. Der Knecht Abrahams soll vor der Stadt am Brunnen warten, zu dem abends "die Töchter der Leute dieser Stadt werden herauskommen, um Wasser zu schöpfen", und soll eine finden, die ihm barmherzig aus ihrem Krug zu trinken gibt. Er findet Rebekka und sie wird Isaaks Frau.
Am 13. Mai.
Wenn Werther sich nicht mehr auf Bücher einlassen will, durch die er "geleitet, ermuntert, angefeuert" wird, sondern nur noch auf den "Wiegengesang" der Verse Homers, so ist das auch eine Absage an die Zweckbestimmung des Lesens im Sinne der Aufklärung. Daß ausgerechnet die Leidensgeschichte des Odysseus (Werther nennt im weiteren nur die Odyssee) eine solche beschwichtigende Wirkung auf ihn hat, ist allerdings nicht ohne weiteres nachzuvollziehen. Es scheint, als fasse er mehr nur einzelne Szenen als den Sinn des ganzen ins Auge, und auch der fremde Klang und Rhythmus dürften zur Vernachlässigung der Zusammenhänge beitragen. Ein wichtiges Moment ist aber auch der fatalistische Gleichmut, mit dem das Schicksal des 'herrlichen Dulders' erzählt wird. Im Unterschied zu den später für Werther in den Vordergrund tretenden Gesängen Ossians, die ganz auf Klage und Trauer gestimmt sind, werden in der Odyssee alle Unglücksfälle als unabwendbare schlicht hingenommen , erschüttern aber nicht die Gewißheit, daß die Welt in Ordnung ist und das Ende gut sein wird .
Am 15. Mai.
Den 17. Mai.
Charles Batteux, Robert Wood, Roger de Piles, Johann Joachim Winckelmann, Johann Georg Sulzer und Christian Gottlieb Heyne: namhafte französische, englische und deutsche Kunsttheoretiker des 18. Jahrhunderts. Mit dem Besitz von Manuskripten - d.h. Vorlesungsmitschriften - von Gelehrten wie hier des Göttinger Altphilologen Heyne (1729-1812) wies man sich als besonderer Kenner eines Wissensgebietes aus.
Am 22. Mai.
Am 26. Mai.
Am 27. Mai.
Am 30. Mai.
Am 16. Junius.
Daß bestimmte Titel nicht genannt sind für die Bücher, die Lotte nicht gefallen und die ihr gefallen haben, ist sicherlich echte Rücksicht auf die Empfindlichkeit von Autoren und Verlegern. Daß Goethe stattdessen aber auch keine Namen erfindet, hat mit dem Wahrheitsanspruch zu tun - es wäre eine Erfindung in dieser Hinsicht allzu leicht durchschaubar gewesen.
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Miß Jenny = vielleicht eine Anspielung auf Marie-Jeanne Riccobonis "Geschichte der Miss Jenny Glanville" (1764) oder allgemein auf einen Roman dieser empfindsamen Richtung, in der immer schöne junge Frauen von Schurken getäuscht, entführt oder an sie verkuppelt werden, ehe der wahre Geliebte alle Widerstände überwinden und sie heimführen kann.
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Landpriester von Wakefield = Den Roman "The Vicar of Wakefield" (1766) von Oliver Goldsmith hatte Goethe 1771 in Straßburg durch Herder kennengelernt und erklärt ihn noch in "Dichtung und Wahrheit" (10.Buch) zu "einem der besten, die je geschrieben wurden". Ihn entzückte vor allem die Lebenseinstellung des Landpredigers Primrose, der gegenüber allen ihn treffenden Schicksalsschlägen wie Vermögensverlusten, entführten Töchtern, einen des Mordes verdächtigten Sohn usw. einen ironisch-heiteren Abstand wahrt und am Ende durch glückliche Fügungen auch aus allem Unheil wieder herauskommt.
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Als Beispiel für ein Menuett ein Satz aus der Ouvertüre C-Dur von Johann Sebastian Bach (entstanden um 1725)

Johann Sebastian Bach: Menuett (BW 1066)
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Als Beispiel für einen 'Englischen' ein Contretanz von Joseph Haydn (1732-1809)

Joseph Haydn: Anglaise (HOB IX/29)
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Als Beispiel für einen 'Deutschen' ein deutscher Tanz von Mozart (1759-1791): "Die Leyerer". Im mittleren Teil wird die Leyer imitiert, die bei privaten Tanzbelustigungen oft das einzige Instrument war und dem Klangbild der Musik bei einem 'Volksball' ziemlich nahe kommen dürfte.

Wolfgang Amadeus Mozart: Die Leyerer (KV 611)
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Da sich in Kestners Aufzeichnungen zum 9. Juni 1772 (siehe unter GOETHE ETC.) keinerlei Hinweis darauf findet, daß es während des Balles in Volpertshausen ein Gewitter gegeben hat, und da Kestner zu dem Spiel mit den Ohrfeigen auch schreibt, die wirkliche Lotte "wäre nie imstande gewesen, sich so zu benehmen" (nicht jedoch: sie habe sich so nicht benommen), muß man das Gewitter für Goethes Zutat halten. Ein Grund für diese Zutat könnte die daran sich anschließende Klopstock-Reminiszenz sein, doch hätten andere Briefe dafür bequemere Möglichkeiten geboten. Wie Jürgen-Paul Schwindt in einer sorgfältigen Analyse erschlossen hat, darf man deshalb in dem Gewitter und zumal in der Szene, als Werther und Lotte nach dem Gewitter abgesondert von den anderen an ein Fenster treten, eine andere literarische Anspielung vermuten. Es ist Vergils Äneis mit dem Rückzug von Dido und Äneas vor einem Gewitter in eine Höhle (Buch IV, Verse 117 ff.). Diese oft zitierte Szene ist zugleich der Moment der Begründung ihres Liebesbundes, an dessen Ende, weil Aeneas sie verläßt, der Selbstmord von Dido steht. So läßt sich diese Szene, die Rollen der Liebenden vertauscht, als ein Hinweis auf das Ende Werthers verstehen - oder umgekehrt als eine Erinnerung daran, daß Liebesverhältnisse mit einem solchen fatalen Ausgang schon aus den ältesten Zeiten bekannt sind.
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Mit dem Namen "Klopstock" beim Blick auf das Gewitter erinnert Lotte an die letzten Strophen seiner Ode "Die Frühlingsfeier" (1759). Den Hinweis auf die 'herrliche Ode' hat Goethe in der zweiten Fassung eigens eingefügt, weil er den Namen Klopstocks allein wohl nicht mehr für deutlich genug hielt. Die 'Frühlingsfeier' im ganzen ist ein Lob Gottes im Angesicht der Natur, unter Einschluß eben eines Gewitters, das Gottes Allmacht drohend, aber zum Schluß auch segnend zeigt:
Seht ihr den neuen Zeugen des Nahen, den fliegenden Strahl?
Höret ihr hoch in der Wolke den Donner des Herrn?
Er ruft: Jehovah, Jehovah!
Und der geschmetterte Wald dampft,

Aber nicht unsre Hütte!
Unser Vater gebot
Seinem Verderber,
Vor unsrer Hütte vorüberzugehn!

Ach, schon rauscht, schon rauscht
Himmel und Erde vom gnädigen Regen!
Nun ist - wie dürstete sie! - die Erd' erquickt
Und der Himmel der Segensfüll' entlastet

Siehe, nun kommt Jehovah nicht mehr im Wetter,
In stillem, sanftem Säuseln
Kommt Jehovah,
Und unter ihm neigt sich der Bogen des Friedens!
Am 19. Junius.
Am 21. Junius.
Daß Werther sich mit den Freiern gleichsetzt, die im Haus des Odysseus um dessen Gattin Penelope werben und sich dessen Ochsen und Schweine schmecken lassen, ist etwas sonderbar (vgl. Homer, "Odyssee", XX. Gesang, Vers 213 bis 280). Ihr Tun ist Unrecht, und sie werden alle dafür umgebracht. Werther erinnert sich aber offenbar nur an das Behagen, das im Verhalten der Freier zum Ausdruck kommt.
Am 29. Junius.
Im Neuen Testament, Evangelium des Matthäus, Kap. 18, 1-5, fragen die Jünger, wer der Größte im Himmelreich sei, und Jesus stellt ein Kind unter sie und sagt, man müsse werden wie dieses, um ins Himmelreich zu kommen.
Am 1. Julius.
"... und sing ein paar Contretänze den Garten auf und ab ..." = Zum Contretanz siehe unter KULTURELLES zum 16. Juni 1771. Bestimmte dieser Tanzmelodien waren weit verbreitet.
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Die Predigt von Johann Caspar Lavater ((1741-1801) über "Mittel gegen Unzufriedenheit und üble Laune" im zweiten Teil der "Predigten über das Buch Jonas" erschien 1773 in Zürich. Mit seiner Formulierung, daß es "nun" diese Predigt gibt, macht Goethe bzw. macht der Herausgeber deutlich, daß sich Werther bereits vor der Veröffentlichung jener Predigt Gedanken dieser Art gemacht hat.
Am 6. Julius.
Am 8. Julius.
Am 10. Julius.
Erste beiläufige Erwähnung der Gesänge des gälischen Barden Ossian aus dem 3. Jahrhundert, die in Wahrheit Dichtungen des Schotten James Macpherson (1736-1796) waren. Ab 1762 von ihm in 'englischer Übersetzung' veröffentlicht, lagen sie bereits 1764 auch in einer deutschen Fassung vor.
Am 11. Julius.
Das Alte Testament, 1. Buch Könige, Kap. 17, Vers 10-16, erzählt die Geschichte des Propheten Elia, der von einer Witwe ernährt wird, indem Gott das Mehl in ihrem Topf und das Öl in ihrem Krug nicht alle werden läßt.
Am 13. Julius.
Am 16. Julius.
An welche Melodie für Lottes 'Leiblied' Goethe gedacht hat und ob ihm überhaupt ein bestimmtes Lied vorschwebte, wissen wir nicht. Als Beispiel für Klang und Typus solcher Klavier- (eigentlich: Klavichord-) Stücke hier ein Satz aus einer Sonate von Ernst Wilhelm Wolf (1735-1792) aus dem Jahre 1775. Wie aus einem Brief vom 23. November 1773 an Johanna Fahlmer hervorgeht, hat Goethe die 'beliebten Kompositionen' von Wolf auch gekannt.

Alla Polacca aus der Sonata b-dur von 1775 (gespielt von Paul Simmonds in einer Aufnahme von 1997, ARS MUSICI 1206-2)
Am 18. Julius.
Den 19. Julius.
Den 20. Julius.
Am 24. Julius.
Am 26. Julius.
Das "Magnetenberg"-Motiv kommt in allen Kulturen vor und hat mit der Wahrnehmung des Erdmagnetismus zu tun, der schon in der Spätantike zum Gebrauch von Kompass-Nadeln führte. Im Mittelalter wurden besonders in Nordeuropa daran abenteuerliche Erzählungen geknüpft, die ihren Niederschlag u.a. im Gudrun-Lied (11. Jh.) und im "Herzog Ernst"-Epos (um 1180) gefunden haben. Goethes Quelle ist wahrscheinlich die arabische Geschichten-Sammlung von "Tausendundeiner Nacht", wo das Motiv in der Erzählung des 'dritten Bettelmönchs' (14. Nacht) eine Rolle spielt. "Tausendundeine Nacht" war in Deutschland seit 1730 durch Übertragungen der französischen Ausgabe von Antoine Galland bekannt.
Am 30. Julius.
Am 8. August.
Am 10. August.
Am 12. August.
Werthers Verurteilung der "sittlichen Menschen", die an den Trunkenen vorbeigehen "wie der Priester" und Gott danken "wie der Pharisäer", daß er sie nicht ebenso gemacht hat, bezieht sich auf das Neue Testament, Evangelium des Lukas, Kap. 10, Vers 31, und Kap. 18, Vers 11. Der vorbeigehende Priester läßt den Beraubten im Gleichnis vom Barmherzigen Samariter hilflos liegen, und der Pharisäer dankt Gott im Gleichnis vom Pharisäer und Zöllner, daß er kein Räuber, Betrüger oder Zöllner ist. Der Zöllner jedoch bittet Gott nur um Gnade. Die Auskunft von Jesus dazu: Wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt werden, und wer sich selbst erniedrigt, der wird erhöht werden.
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Die "Krankheit zum Tode", wie Werther die Selbstmord-Neigung nennt, könnte ein Anklang an das Neue Testament, Evangelium des Johannes, Kap. 11, Vers.4, sein. Dort allerdings heißt es, die Krankheit (des Lazarus) führe nicht zum Tod, sondern diene der Ehre Gottes. Denn als Lazarus stirbt, weckt Jesus ihn wieder auf und gewinnt so weitere Anhänger. - Daß Sören Kierkegaard seine 1849 erschienene Schrift über die Verzweiflung "Die Krankheit zum Tode" betitelt (Sygdommen til döden), könnte eine Entlehnung aus dem 'Werther' sein.
Am 15. August.
Das Märchen der gefangenen Prinzessin, die von Händen bedient wird, die aus der Zimmerdecke wachsen, ist ein Feenmärchen aus der 1698 erschienenen Sammlung "Les illustres fées" von Marie de Berneville, Gräfin von Aulnoy.
Am 18. August.
Am 21. August.
Am 22. August.
Die "Fabel vom Pferde", das zuschanden geritten wird, meint die schon von Äsop erzählte Fabel von dem Pferd, das sich, auf seiner Weide von einem Hirsch bedrängt, hilfesuchend an den Menschen wendet und von ihm dann im Kampf gegen den Hirsch als Reittier eingesetzt wird.
Als Bezugsstelle näher liegt aber Jean-Jaques Rousseaus berühmte "Abhandlung über den Ursprung und die Grundlagen der Ungleichheit unter den Menschen" (1754). Dort heißt es im zweiten Teil:
Ein ungezähmtes Roß sträubt die Mähne, stampft auf den Boden und schlägt ungestüm um sich, wenn man ihm die Kandare anlegen will; ein zugerittenes Pferd hingegen erträgt geduldig Sporen und Peitsche. So beugt auch ein wilder Mensch sein Haupt nicht unter das Joch, das ein zivilisierter ohne Murren erträgt, und dem Wilden ist eine ungestüme Freiheit erwünschter als die friedvollste Untertänigkeit.
Am 28. August.
Der "Wetsteinische Homer" ist eine zweibändige griechisch-lateinische Homer-Ausgabe des Amsterdamer Buchdruckers J. H. Wetstein von 1707 im Duodez-Format, der "Ernestinische" (von dem Leipziger Philologen Ernesti) hingegen eine fünfbändige im Format Quart, erschienen 1759-1764 in Leipzig.
Titelblatt des Ernestinischen und des Wetsteinschen Homers im Größenvergleich. Obwohl die Bogengrößen nicht genormt waren, ist die Seitenfläche der Quartausgabe (=vier Blätter aus dem Bogen) hier gerade gut dreimal so groß wie die der Duodez-Ausgabe (=12 Blätter aus dem Bogen), d.h. die Bogengrößen, abhängig von den Schöpfformen der Papierhersteller, wichen in diesem Falle kaum voneinander ab. (Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel)

Die Vorseiten oder Frontispize (eigentlich: Vordergiebel) der beiden Homerausgaben im Größenvergleich. (Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel)

Am 30. August.
Am 3. September.
Am 10. September.
Am 20. Oktober 1771.
Am 26. November 1771.
Am 24. Dezember 1771.
Das "eherne und eiserne Jahrhundert" erklärt sich aus einer Übertragung der in der Antike verbreiteten Vorstellung von vier Weltzeitaltern (dem goldenen, silbernen, ehernen und eisernen) auf das menschenliche Leben. Nach Ovids "Metamorphosen" ist das eherne (= kupferne, bronzene) Zeitalter das der Künste und Kriege und das eiserne das von Entbehrung und Arbeit.
Den 8. Januar 1772.
Am 20. Januar.
Den 8. Februar.
Am 17. Februar.
Am 20. Februar.
Den 15. März.
Wenn Werther liest, wie der der heimkehrende Odysseus von dem trefflichen Schweinehirten aufgenommen und bewirtet wird, so liest er den 14. Gesang der "Odyssee". Die Genugtuung, die er darüber empfindet, wie der als Bettler verkleidete Ulyß (lateinisch für 'Odysseus') bei dem Schweinehirten Eumaios Aufnahme findet, hat durchaus Bezug zu seiner eigenen Situation. Der Bettler ist der heimliche König, und er sinnt bereits darauf, wie er sich zu erkennen geben und sich seine Rechte zurückholen wird - so wie auch Werther seine Verbannung aus der Adels-Gesellschaft nicht als das letzte Wort über seinen gesellschaftlichen Rang verstehen will und kann.
Am 16. März.
Am 24. März.
Am 19. April.
Am 5. Mai.
Am 9. Mai.
Ulyß, der von der Unendlichkeit von Meer und Erde spricht - ein letzter Hinweis auf die "Odyssee", deren schlichtes Weltbild Werther zu seinen eigenen Vorstellungen aus Kindertagen einfällt.
Am 25. Mai.
Am 11. Junius.
Am 16. Junius.
Am 18. Junius.
Am 29. Julius.
Die "Stelle eines lieben Buches", wo sein und Lottes Gefühl weit mehr als das von ihr und Albert übereinstimmen, erinnert an ihr Gespräch auf der Fahrt zum Ball. Ein bestimmter Text oder Autor ist hier aber nicht gemeint.
Am 4. August.
Am 21. August.
Am 3. September.
Am 4. September.
Am 5. September.
Am 6. September.
Am 12. September.
Am 15. September.
Außer über das Fällen der Bäume (siehe unter KULTURELLES) erregt sich Werther auch über die Gesinnung der Pfarrersfrau. Sie hat sich "in die Untersuchung des Kanons meliert (=eingemischt)", d.h. sie hat sich der dazumal neuen, rationalistisch-kritischen Bibellektüre verschrieben. Damit verstößt sie gegen die emphatische Glaubensbereitschaft Werthers und überhaupt des Sturm und Drang, die hier mit "Lavaters Schwärmereien" zitiert wird. Johann Caspar Lavater (1741-1801) hatte in seinen "Aussichten in die Ewigkeit" (1768-1773) ein Bild des himmlischen Paradieses entworfen, wie es seiner Auffassung nach der Bibel zu entnehmen war. Die rationalistische Bibelkritik hingegen verstand die Bibel nicht mehr unmittelbar als 'Gottes Wort', sondern las sie als Geschichts- und Geschichtenbuch des Judentums und wies ihr zunehmend sachlich-logische Widersprüche nach. Neben den genannten Theologen Benjamin Kennicot (1718-1783) und Johann Salomo Semler (1725-1791) sowie dem Orientalisten Johann David Michaelis (1717-1791) hätten - nach 1774 - auch die von Lessing veröffentlichten Reimarus-Fragmente genannt werden können, die die radikalsten Angriffe jener Zeit auf die Glaubwürdigkeit der Bibel enthielten. Bei aller Häme Werthers gegen die Pfarrersfrau und ihre unsympathische Dürftigkeit sollte man also nicht übersehen, daß sie im Unterschied zu ihm die zukünftigere Form des Bibel-Verständnisses vertritt. -
Am 10. Oktober.
Am 12. Oktober.
Ossian hat Homer verdrängt - die bedeutungsvolle Hinwendung Werthers zu der tragisch-dunklen Dichtung des Schotten MacPherson (1736-1796), die dieser für die Übersetzung eines gälisches Heldenliedes aus dem 3. Jahrhundert ausgab. Obwohl die Authentizität der 1762 und 1765 veröffentlichten Gesänge in England sofort bestritten wurde, nahm die junge Generation in Europa sie begeistert auf. Goethe lernte sie durch Herder in Straßburg kennen und übersetzte daraus die "Gesänge von Selma", aus denen Werther Lotte dann auch vorliest.
Die Ossian-Dichtung ist hauptsächlich Toten-Klage. Hintergrund ist der Abwehrkampf des schottischen Königs Fingal gegen den in Irland eingedrungenen König von Skandinavien und der Heldentod der Verteidiger. Der eigentliche Inhalt jedoch ist die feierlich-getragene Ausmalung der Trauer, unterlegt mit schwermütigen Naturbildern, ein immer sich wiederholendes Besingen von frühem Tod, unendlichem Schmerz und ewigem Ruhm. Doch genau diese Stimmung war es, die der jungen Generation, sonst nur mit der Forderung nach Mäßigung und Vernunft konfrontiert, so gefiel. (Der eine Generation ältere Lessing etwa hat nie auch nur ein Wort über den 'Ossian' verloren.) Es war dasselbe Bedürfnis, das dann auch der Balladendichtung den Weg bahnte, d.h. zumal dem naturmagischen Typus wie Goethes "Erlkönig", so als habe man der Aufklärung das Hamlet-Wort entgegenhalten wollen, daß es 'mehr Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, als eure Schulweisheit sich träumen läßt'.
Um seine Fälschung zu verteidigen, arbeitete Macpherson sein ganzes weiteres Leben an der Herstellung eines gälischen 'Originals', das zehn Jahre nach seinem Tod aus seinem Nachlaß auch veröffentlicht wurde. Die Zweifel an der Echtheit allerdings blieben, doch wurde erst am Ende des 19. Jahrhunderts die Fälschung endgültig nachgewiesen.
Am 19. Oktober.
Am 26. Oktober.
Am 27. Oktober.
Am 30. Oktober.
Am 3. November.
Am 8. November.
Am 15. November.
In seiner Verzweiflung nimmt Werther hier mehrfach auf Bibelstellen Bezug. Den Gedanken, daß ihm sein Schicksal, seine Gottverlassenheit von Gott selbst bestimmt sein könnte, übernimmt er aus dem Neuen Testament, Evangelium des Johannes. Hier sagt Jesus zu Anhängern, die ihn um ein Wunder bitten, damit sie ganz an ihn glauben könnten, daß nur Gott ihnen diesen Glauben geben könne: "Niemand kann zu mir kommen, wenn es ihm nicht vom Vater gegeben ist". (Kap.6, Vers 65). Der 'Kelch', der selbst für Gottes Sohn zu bitter war, knüpft an an die von Jesus im Garten Getsemane vor seiner Gefangensetzung gesprochenen Worte, Gott möge diesen Kelch an ihm vorübergehen lassen (Evangelium des Matthäus, Kap. 26, Vers 39). Und "Mein Gott! Mein Gott! warum hast du mich verlassen? " sind die letzten Worte von Jesus am Kreuz (Evangelium des Matthäus, Kap. 27, Vers 46).
Am 21. November.
Am 22. November.
Am 24. November.
Am 26. November.
Am 30. November.
Am 1. Dezember.
Am 4. Dezember.
Eine bestimmte Melodie ist für Lottes schon im Brief vom 16. Juli 1771 bezeichnetes Lieblingslied nicht erschließbar. Als Beispiel geben wir einen Satz aus der Sonata c-moll von 1775 von Ernst Wilhelm Wolf (1735-1792) wieder. Goethe hat in einem Brief an Johanna Fahlmer vom 23. November 1773 der 'beliebten Kompositionen' von Wolf auch gedacht.

Andantino aus der Sonata c-moll von 1775 (gespielt von Paul Simmonds in einer Aufnahme von 1997, ARS MUSICI 1206-2)
Am 6. Dezember.
{BERICHTSTEIL I}
{BRIEFEINLAGE I)
{BRIEFEINLAGE II}
{BRIEFEINLAGE III}
{BERICHTSTEIL II}
{OSSIAN}
Die Ossian-Partien, die Werther zitiert, stammen aus dem Gedicht, das bei MacPherson "Songs of Selma" heißt. 'Selma' ist eine Burg oder ein Anwesen, wo sich die Barden, die die verstorbenen Helden besingen, zum Wettstreit oder Austausch versammelt haben. Goethe hatte selbst diese Partien 1771 aus dem Englischen übersetzt, hat sie für den 'Werther' aber noch einmal deutlich umgeformt (siehe unter GESTALTUNG). - Ossian teilt in den einzelnen Partien mit, was jene Sänger auf Selma von den Helden berichtet haben. Die Sängerin Minona 'zitiert' die Klage Colmas, deren Bruder und deren Geliebter sich gegenseitig erschlagen haben. Der Sänger Ullin läßt Ryno und Alpin sprechen, und dieser wiederum berichtet von Armin, der um seine Tochter Daura und seinen Sohn Arindal klagt. Daura glaubte sich von ihrem Geliebten Armar auf einer Insel erwartet, war jedoch von ihrem Feind Erath irreführt worden. Auf ihren Hilferuf eilten der Geliebte und der Bruder herbei, der Geliebte tötete aus Versehen den Bruder und kam selbst in den Fluten um. So blieb Daura hilflos auf der Insel allein und starb.
Die Verwandtschaft dieser Konstellationen mit der Werther-Handlung ist nicht zu übersehen: sie handeln jeweils von Frauen, die ihren Geliebten verlieren, und zugleich vom Tod des Geliebten. Daß aus Lottes Augen ein 'Strom von Tränen' bricht, als sie vom Schicksal der einsam sterbenden Daura hört, ist ein Eingeständnis ihrer eigenen Verlassenheit, wenn Werther sie verlassen wird, und entsprechend deutlich auch heißt es, daß beide, Werther und Lotte, "ihr eigenes Elend in dem Schicksal der Edlen" fühlten. - Die letzte Ossian-Passage "Warum weckst du mich, Frühlingsluft?" stammt aus einem anderen Ossian-Lied, dem "Berrathon", und gibt einen unmittelbaren Vorausblick auf Werthers Tod.
{ABSCHIED}
{ENDE}
Daß Priester und Levit an seiner Grabstelle vorbeigehen und nur der Samariter eine Träne um ihn weinen würde, nimmt noch einmal das schon am 12. August 1771 berührte Gleichnis vom Barmherzigen Samariter (Neues Testament, Evangelium des Lukas 10, Vers 30-35) auf. Werther sieht sich damit als ein Opfer, dessen eben nur ein Samariter in Nächstenliebe gedenken würde, während Priester und Levit selbstgerecht vorbeigingen. - Auch das Motiv vom 'Kelch', den er fassen will, weil er ihm von Lotte gereicht wird, ist noch einmal eine Anlehnung an die Bibel. Jesus willigt in seine Festnahme mit den Worten: Soll ich den Kelch nicht fassen, den mir mein Vater gegeben hat? (Neues Testament, Evangelium des Johannes, Kap. 18, Vers 11).
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Daß Werther die 1772 erstmals erschienene "Emilia Galotti" auf seinem Pult aufgeschlagen liegen hat, ist mehr als nur eine Entlehnung aus der Geschichte Karl Wilhelm Jerusalems, in dessen Sterbezimmer ebenfalls Lessings Trauerspiel auf dem Lesepult vorgefunden wurde. Es ist als ein Hinweis auch auf die Motive von Werthers Selbstmord zu verstehen. Emilia, von dem Prinzen von Guastalla bedrängt, will Selbstmord begehen, weil sie befürchtet, den Verführungsabsichten des Prinzen nicht standhalten zu können. "Auch meine Sinne sind Sinne", sagt sie zu ihrem Vater, "ich stehe für nichts. Ich bin für nichts gut." (Emilia Galotti, 5. Aufzug, 7. Auftritt). So bittet sie den Vater um seinen Dolch und fordert ihn, als er zögert, mit der Ausmalung ihres Schicksals so heraus, daß er sie ersticht. Auf Werther angewendet, bedeutet das, daß auch er sich seiner 'Sinne' nicht sicher ist, fürchten muß, sich Lotte gegenüber schließlich doch nicht beherrschen zu können, und ehe er sich in dieser Weise ihr und Albert gegenüber ehrlos macht, will er wie Emilia lieber sterben.
Das Titelblatt der im März 1772 erschienenen Erstausgabe von Lessings Trauerspiel.

ende