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Am 16. Junius.
Menuett = Das Menuett (ursprünglich: die Menuet), ein im 17. Jahrhundert in Frankreich aufgekommener Gesellschaftstanz in langsamem Dreivierteltakt, stand regelmäßig am Anfang eines Tanzabends. Nach unseren Begriffen handelte es sich dabei allerdings weniger um einen Tanz als um eine Tanzvorführung, da immer nur ein Paar tanzte und danach zur Seite trat, um dem nächsten Paar Platz zu machen. Die einzelne Tanzsequenz dauerte nur zwischen einer und zwei Minuten, konnte allerdings auf Wunsch der Dame auch variiert und verlängert werden. Das Paar verneigte sich zunächst vor den Anwesenden und absolvierte dann teils neben-, teils miteinander verschiedene Figuren, bei denen es hauptsächlich auf die zierliche Setzung der Füße, elegante Verbeugungen und Knickse und ein gefälliges Durchschreiten der Tanzfläche ankam. Die intimste Geste war, dass man sich ab und zu bei den Händen fasste und umeinander drehte.

Demonstration eines Menuetts durch Paige Whitley-Bauguess (New Bern, USA)
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Der Vorschrift nach musste sich das Paar beim Menuett so bewegen, dass die Schrittfolge auf der Tanzfläche ein "Z" oder umgekehrtes "S" ergab. Die Schilderung Werthers lässt allerdings zweifelhaft erscheinen, ob man sich hier noch genau nach der Vorschrift richtet.

Der Bewegungsablauf bei einem Menuett
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Englischer = Der englische Tanz, auch Contretanz genannt, wurde im 17. Jh. in Frankreich aus der Nachahmung englischer Volkstänze entwickelt (deshalb ursprünglich "Country Dance"). Er folgte bei Tanzabenden dem Menuett, hat einen lebhaften Zweivierteltakt und wird in Gruppe getanzt. Vier, sechs oder acht Paare bilden zunächst einen Kreis und springen einige Takte links, einige rechts herum. Danach stellen sie sich in Reihe oder im Karree gegenüber auf, tanzen aufeinander zu und wieder zurück, wechseln über Kreuz die Partner, bilden einen äußeren und einen inneren Kreis und gehen gegenläufig umeinandner herum usw. Der Contretanz hat eine recht komplizierte, immer wieder variierbare Choreographie und erforderte deshalb einen Tanzmeister, der den Tänzern die jeweiligen Figuren ansagte.

Demonstration eines Contretanzes durch die Tanzschule von Regina Beck-Friis, Malmö
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Deutscher = Der deutsche Tanz, das 'Walzen', entsprach schon ziemlich dem heute noch getanzten Wiener Walzer, wenn schon das Tempo noch geringer war und auch der 'Deutsche' noch in einer Gruppe getanzt wurde. Die Paare stellten sich im Kreis auf und drehten sich zu zwei Dreiviertel-Takten jeweils einmal um sich selbst, während sich alle gleichzeitig auf dem Kreisbogen ein Stück weiter bewegten. Der Herr fasste die Dame dabei um die Taille und sie legte ihm die Hände auf die Schultern. Die Linksdrehung der Paare bei gleichzeitiger Linksdrehung des Paarkreises ergab ein beschwingtes Gesamtbild, konnte aber auch schon, da die Paare sich nicht trennten, als individuelles Tanzen verstanden werden. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts wurde auf die Kreisbildung mehr und mehr verzichtet und jedes Paar suchte sich bei seinen Drehungen auf der Tanzfläche seinen eigenen Weg. Zugleich ging man zu der noch heute üblichen Tanzhaltung mit dem einem abgestreckten Armpaar über.

Demonstration eines Deutschen Tanzes
Welche Sinnlichkeit in diese Art zu tanzen hineingelegt wurde, zeigt das Urteil der 19jährigen Pauline Fürstin zur Lippe (späterer Regentin von Lippe-Detmold), die 1788 über den "frechen, sittenlosen Tanz der Deutschen" schreibt:
Ein Frauenzimmer, das diesen gern und lange, oft mit einem ihr nicht unangenehmen Liebhaber tanzt, geb' ich schon halb verlohren; denn, mit welchem Muth wird sie dem Manne Etwas versagen, der sie im Augenblick vorher an sein laut klopfendes Herz drückte, dessen Arme voll kochenden Bluts sie fest umfaßten und wild im rauschen Wirbeltanz dreheten, der seine glühende Wange auf ihr brennendes Angesicht drückte, und ihr so viel Küsse rauben konnte, als er wollte - Sie wird Dem, ... in dessen Umschlingungen sie sich wonnetrunken im Taumel der Lust verlohr, wo so leicht jede ernste Empfindung vom Rausch der Sinnlichkeit überwältigt und alles edlere Gefühl der weiblichen Würde so leicht weg geschwärmt wird - o sie wird ihm nicht lange widerstreben und - selbst das Opfer seyn in dem Augenblick, da sie von einem Andern Opfer zu empfangen glaubte.
Benutzte Literatur: Pauline Fürstin zur Lippe
Ein ähnliches Urteil trifft 1832 in seinem "Demokritos" auch noch Karl Julius Weber (1767-1832):
Wenn das Paar sich eng umschlingt, Knie an Knie, Brust an Brust, Aug in Auge, die Hand des Mädchens auf der Schulter des Jünglings, und die seinige noch traulicher auf schwellenden runden Hüften, wenn der reine Athem der Schönen anweht, wenn man an den heißen Wangen die Wärme fühlt und ein Herz dem andern entgegenklopft, muss da nicht Phantasie und Sinnlichkeit rege werden?
Benutzte Literatur: Böhme, Franz M.
"... mein Chapeau walzt schlecht ..." Frz. chapeau heißt eigentlich Hut, hier in der Bedeutung von Tänzer, weil die Herren beim Menuett in zeremonieller Weise einen Hut auf- und abzusetzen hatten.
ende