Erste Vigilie
Am Himmelfahrtstage, nachmittags um drei Uhr, rannte ein junger Mensch in Dresden durchs Schwarze Tor ...
Im Unterschied zu allen anderen Autoren der Romantik und überhaupt des frühen 19. Jahrhunderts wird das Geschehen bei E.T.A.Hoffmann
oft auf das Genaueste lokalisiert. Diese Anbindung an die Wirklichkeit, die zu der fast immer fantastischen Handlung in einem ironischen
Kontrast steht, hat zu Hoffmanns Erfolg als Erzähler viel beigetragen. Zu Recht gilt er unter diesem Gesichtspunkt als der erste Realist.
Das Schwarze Tor war das nördliche Stadttor in der Neustadt am Ende der Hauptstraße vor dem heutigen Albertplatz.
Es wurde samt der Wallanlage 1817 beseitigt.
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Das Schwarze Tor im Jahre 1811.
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So war er bis an den Eingang des Linke'schen Bades gekommen; eine Reihe festlich gekleideter Menschen nach der andern
zog herein.
Das 'Lincke'sche Bad' auf der Neustädter Elbseite - direkt an der Mündung der Prießnitz - war zunächst nur ein
Badehaus für das angeblich heilkräftige Prießnitzwasser. Schon zu Hoffmanns Zeit war es aber vor allem
ein Vergnügungsort mit einem großen Schankbetrieb und einem Sommer-Theater.
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Blick vom Lincke'schen Bad auf Dresden.
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... hinter demselben streckte das herrliche Dresden kühn und stolz seine lichten Türme empor in den
duftigen Himmelsgrund, der sich hinabsenkte auf die blumigen Wiesen und frisch grünenden Wälder, und aus tiefer
Dämmerung gaben die zackichten Gebirge Kunde vom fernen Böhmerlande.
Hoffmann gibt hier richtig den Blick wieder, den man vom Neustädter Elbufer hinter dem Lincke'schen Bad von der Landschaft haben kann.
Zweite Vigilie
Schon wollte er in die Pappelallee bei dem Kosel'schen Garten einbiegen ...
Der Cosel'sche Garten gehörte einem Nachkommen der Gräfin Cosel und Augusts des Starken. 1826 wurde dort das 'Wasserpalais auf
Cosel' errichtet. - Dass Anselmus für seinen Weg in die Altstadt wiederum das Schwarze Tor ansteuert, erklärt sich aus den lokalen
Verhältnissen. Wegen der Festungsmauern war die Elbbrücke am Ufer nicht zu erreichen. Das Übersetzen über die Elbe verkürzte
den Weg in die Pirnaer Vorstadt beträchtlich.
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Die Dresdner Neustadt
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... lud den Studenten ein, mit ihm über die Elbe zu fahren und dann in seiner auf der Pirnaer Vorstadt gelegenen Wohnung abends über
bei ihm zu bleiben.
Die Pirnaer Vorstadt - östlich der Dresdner Altstadt - begann am Pirnaschen Platz. Eine Kahnfahrt auf der Elbe - etwa an der Stelle, wo
auch Anselmus mit der Familie Paulmann übersetzt, zeigt ein Gemälde von Carl Gustav Carus.
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Kahnfahrt auf der Elbe (Carus 1827)
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... begab es sich, dass auf dem jenseitigen Ufer bei dem Anton'schen Garten ein Feuerwerk abgebrannt wurde.
Der 'Anton'sche Garten' war ein bekanntes Ausflugslokal schräg gegenüber dem Lincke'schen Bad auf der Altstädter Seite.
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Blick über die Elbe auf den Anton'schen Garten.
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Blick auf Dresden um 1810
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Punkt halb zwölf Uhr stand der Student Anselmus ... schon auf der Schlossgasse in Conradis Laden ...
Die Schlossgasse führte vom Schloss bis zum Altmarkt. 'Conradis Laden' war die Konditorei von Wilhelm Conradi.
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Die Schlossgasse um 1840
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... aber als er nun auf den letzten die Luft mit mächtigem Klange durchbebenden Schlag der Turmuhr an der Kreuzkirche den
Türklopfer ergreifen wollte ...
Hoffmann hat hier schon die jüngere Kreuzkirche vor Augen, die 1792 an die Stelle der älteren, im Siebenjährigen
Krieg zerstörten Kirche getreten war.
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Altmarkt mit Kreuzkirche um 1840
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Fünfte Vigilie
Sie war Frau Hofrätin, bewohnte ein schönes Logis in der Schlossgasse oder auf dem Neumarkt oder auf der Moritzstraße ...
Schlossgasse, Neumarkt und Moritzstraße liegen rund um die Frauenkirche und damit in der repräsentativsten Gegend der
Dresdner Altstadt. Als 'Frau Hofrätin' wünscht sich Veronika auch noch ein 'schönes Logis' dort, also eine komfortable
Mietwohnung.
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Die Dresdner Altstadt
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Neumarkt mit Frauenkirche
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Blick in die Moritzstraße
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Kaum hatte sie nämlich von den Freundinnen, die in der Neustadt wohnten, vor der Elbbrücke Abschied genommen, als sie geflügelten Schrittes vor das Seetor eilte ...
Veronika begleitet die Freundinnen nicht über die Brücke in die Neustadt, sondern kehrt um und geht zum Seetor am Südrand
der Stadt, wo am heutigen Anfang der Prager Straße das Seetor stand.
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Blick über die Elbbrücke auf die Neustadt
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Das Seetor am Südausgang von Dresden
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Siebente Vigilie
... und bin spätestens um ein Uhr in Dresden, wo mich im Goldnen Engel oder im Helm oder in der Stadt Naumburg ein gut
zugerichtetes Abendessen und ein weiches Bett erwartet.
Die genannten Hotels lagen alle in der Wilsdruffer Gasse der Dresdner Altstadt. Im Hotel 'Stadt Naumburg' hat
Hoffmann selbst im Frühjahr 1813 zwei Wochen gewohnt, als er von Bamberg nach Dresden gekommen war.
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Der 'Goldene Engel' um 1840
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Neunte Vigilie
Eine geheime magische Gewalt zog ihn vor das Pirnaer Tor ...
Das Pirnaer Tor war das in der Altstadt östliche Stadttor, am heutigen Pirnaschen Platz.
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Das Pirnaer Tor im Jahre 1811
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Eilfte Vigilie
"Hier nehmen Sie, geliebter Hofrat, die Stücke des Spiegels, werfen Sie sie heute Nacht um zwölf Uhr von der Elbbrücke, und zwar von da,
wo das Kreuz steht, hinab in den Strom ..."
Das in der Mitte der Augustus-Brücke stehende Kreuz wurde Mitte des 19. Jahrhunderts entfernt.
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Die Elbbrücke mit dem Kreuz um 1820
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