[Erster Teil]
Er besaß in einem Dorfe, das noch von ihm den Namen führt, einen Meierhof ...
Meierhof = eigentlich ein gepachteter Hof, aber da Kohlhaas der Eigentümer ist, hier ein Bauernhof.
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Er ritt einst mit einer Koppel junger Pferde, wohlgenährt alle und glänzend, ins Ausland ...
Koppel = eine Anzahl zusammengebundener Pferde.
Ausland = auch die deutschen Länder untereinander waren 'Ausland', im 16. Jahrhundert mit mehr als 300 voneinander
getrennten Territorien.
"Landesherrliches Privilegium", antwortete dieser, indem er aufschloss, "dem Junker Wenzel von
Tronka verliehen."
Landesherrliches Privilegium = Berechtigung zum Einziehen eines Geldbetrages, in diesem Falle durch den
Kurfürsten von Sachsen verliehen.
Junker = 'junger Herr', Bezeichnung für einen Adligen mit Landbesitz.
"Am Schlagfluss gestorben", erwiderte der Zöllner ...
Schlagfluss = Schlaganfall
"Nun! Was bin ich schuldig?", fragte er und holte die Groschen ... hervor.
Groschen = im 16. Jahrhundert kleine Silbermünze von etwa zwei Gramm Gewicht.
... als eine neue Stimme schon: "Halt dort, der Rosskamm!", hinter ihm vom Turm erscholl und er den Burgvogt
ein Fenster zuwerfen ... sah.
Rosskamm = in der älteren Form 'Rosscamp' von ungewisser Herkunft, später als Ableitung vom Kamm für die
Mähnen der Pferde verstanden.
... der Vogt folgte ihm, indem er von filzigen Geldraffern und nützlichen Aderlässen derselben murmelte ...
filzig = abgeleitet von Filz als der Kleidung der Bauern, dann ein Begriff für bäurischen Geiz.
Der eine lobte den Schweißfuchs mit der Blesse ...
Schweißfuchs mit Blesse = rotfarbenes Pferd mit glänzendem Fell und weißem Stirnfleck.
"... die Rappen habe ich vor sechs Monaten für 25 Goldgülden gekauft ..."
Goldgülden = der Gulden (abgeleitet von 'Gold') war zu Kleists Zeiten nur noch eine Silbermünze, deshalb hier der Zusatz 'Gold'.
... versprach bei seinem Durchzug durch Dresden den Pass in der Geheimschreiberei zu lösen ...
Geheimschreiberei = gewollt altmodischer Begriff für eine landesfürstliche Kanzlei.
... ungewiss, ob nicht doch wohl wegen aufkeimender Pferdezucht ein solches Gebot im Sächsischen erschienen sein
könne ...
Kohlhaas hält eine Art Schutzzoll für möglich, um die in Sachsen vielleicht aufkommende Pferdezucht zu begünstigen.
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Doch sein Rechtgefühl, das einer Goldwaage glich, wankte noch ...
Goldwaage = eine extrem genaue Waage, zu Kleists Zeit längst redensartlich für eine übertrieben genaue
Wortbeobachtung gebraucht ('Jedes Wort auf die Goldwaage legen') .
"Wenn der H... A... die Pferde nicht wiedernehmen will, so mag er es bleiben lassen ..."
H... A... = Huren-Arsch, die zumeist gewählte Auflösung 'Herr Arsch' oder 'Hans Arsch' ist unlogisch, da Herr oder Hans nicht hätten
abgekürzt zu werden brauchen.
Kohlhaas sagte, dass er eher den Abdecker rufen und die Pferde auf den Schindanger schmeißen lassen ... wolle.
Abdecker = Tierverwerter, der diesem die 'Decke' (das Fell) abzieht, auch abfällig 'Schinder' genannt.
Schindanger = Platz außerhalb der Städte, wo die vom Schinder nicht verwerteten Tierreste vergraben wurden.
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"Ich nahm am Abend des zweiten Tages ... die Pferde ... und wollte sie zur Schwemme reiten."
Schwemme = seichter Uferplatz zum Reinigen der Tiere.
'Sielzeug und Decken liegen und ein Bündel Wäsche von mir im Stall' ...
Sielzeug = Pferdegeschirr (abgeleitet von 'Seil'), - die Menge von Herses Habe soll jeden Gedanken an eine Fluchtabsicht
ausschließen.
Würd ich drei Reichsgülden nicht zu mir gesteckt haben, die ich im rotseidnen Halstuch hinter der Krippe versteckt hatte?
Reichsgülden = nicht näher zu bestimmende Münze nach Art des 'Reichstalers', hier nur als weitere von Herse
zurückgelassene Wertsache hinzugefügt.
[Zweiter Teil]
... dass die Klage auf eine höhere Insinuation bei dem Dresdner Gerichtshofe gänzlich niedergeschlagen worden sei.
Insinuation = Einwirkung, Beeinflussung.
... dass der Junker Wenzel von Tronka mit zwei Jungherren, Hinz und Kunz von Tronka, verwandt sei ...
Hinz und Kunz = schon im späten Mittelalter eine Formel für 'jedermann', also bewusst zur Kennzeichnung der
Unbedeutendheit der beiden Höflinge gebraucht.
... deren einer bei der Person des Herrn Mundschenk, der andre gar Kämmerer sei.
Mundschenk = ein altes Hofamt, das ursprünglich den Fürsten in der Person eines 'Vorkosters' davor schützen
sollte, von irgendwem vergiftet zu werden.
Kämmerer = ursprünglich der Schatzmeister, später allgemein ein dem Fürsten nahestehender Beamter.
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Besonders war er bemüht, einen mineralischen Quell ... für den Gebrauch der Bresthaften einzurichten ...
Bresthaften = Kranken, Leidenden (von einem alten Wort breste für 'Mangel').
... dass er nur eine Supplik mit einer kurzen Darstellung des Vorfalls an den Kurfürsten von Brandenburg aufsetzen möchte ...
Supplik = Bittschrift (von lat. supplicare für 'demütig bitten')
... mit einem ein größeres Reskript begleitenden Schreiben des Stadthauptmanns ...
Reskript = Antwortschreiben
... was er für seine Besitzungen ..., Haus und Hof in Bausch und Bogen, es sei nagelfest oder nicht, geben wolle.
in Bausch und Bogen = Rechtsformel für eine großzügige Schätzung, bei der sich ein 'Bausch' (als Krümmung einer Linie nach
außen) und ein Bogen (als Krümmung einer Linie nach innen) gegenseitig ausgleichen.
nagelfest oder nicht = die im Haus feste und nicht feste Einrichtung.
... erklärte ihm, dass es ein von ihm aufgesetzter eventueller, in vier Wochen verfallener Kaufkontrakt sei ... sowohl was
den Kaufpreis selbst als auch den Reukauf ... betreffe.
Der Amtmann müsste den Kaufvertrag binnen vier Wochen erfüllen oder er würde erlöschen, Kohlhaas hingegen müsste für den Fall
eines Rücktritts während dieser Zeit als 'Reukauf' eine bestimmte Summe an den Amtmann zahlen. Das Angebot ist für den Amtmann also
unglaublich günstig.
... und darin auch von seiner Seite auf eine sonderbare Art die Freiheit stipuliert fand zurückzutreten ...
auf eine sonderbare Art stipuliert = auf besondere Weise ihm eingeräumt.
... dass des Kaufpreises vierter Teil unfehlbar gleich bar und der Rest in drei Monaten in der Hamburger Bank gezahlt werden sollte ...
Hamburger Bank = Bankgeschäfte waren zwar in dieser Zeit, z.B. über die Fugger in Augsburg, schon möglich, die erste Hamburger
Bank jedoch wurde erst 1619 gegründet.
Hierauf ... fragte er nach den Polen und Türken, die gerade damals miteinander im Streit lagen, verwickelte den
Amtmann in mancherlei politische Konjekturen darüber ...
Neben Österreich, Serbien und Ungarn stellte sich auch Polen schon seit dem 15. Jahrhundert dem Vordringen der Türken nach
Mitteleuropa entgegen, 1538 jedoch endeten die Kämpfe.
Konjekturen = Annahmen, Vermutungen.
Der Herr selbst, weiß ich, ist gerecht ...
Herr = hier der Landesherr, also der brandenburgische Kurfürst.
"... und mit den Kindern zu deiner Muhme nach Schwerin gingst ..."
Muhme = Tante oder Großtante.
... dass der Kastellan des kurfürstlichen Schlosses in früheren Zeiten ... um sie geworben habe.
Kastellan = Burgvogt, Schlossverwalter.
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Es schien, sie hatte sich zu dreist an die Person des Landesherrn vorgedrängt ...
dreist = hier noch in der älteren Bedeutung von 'beherzt', 'unerschrocken'.
... ein Geistlicher lutherischer Religion (zu welchem eben damals aufkeimendem Glauben sie sich nach dem Beispiel ihres Mannes
bekannt hatte) ...
Nach Luthers Anschlag seiner 'Thesen' an der Schlosskirche von Wittenberg im Jahre 1517 hatte die neue Lehre, die den Papst als oberste
Autorität in Glaubensfragen nicht mehr anerkannte, rasch großen Zulauf. Erstmals ausformuliert wurde sie 1530 in
der "Confessio Augustana" (Augsburger Bekenntnis) von Philipp Melanchthon (1497-1560). Eine 'lutherische Religion' war das
aber noch nicht, sondern es war nur ein neues Verständnis des Glaubens innerhalb der christlichen Kirche.
... ein Grab von acht Ellen Tiefe ...
Elle = als Längenmaß 50 bis 80 Zentimeter, also ein Grab von mindestens vier Metern Tiefe.
... verfasste einen Rechtsschluss, in welchem er den Junker Wenzel von Tronka kraft der ihm angeborenen Macht verdammte, die
Rappen ... binnen drei Tagen nach Sicht nach Kohlhaasenbrück zu führen ...
Die von Kohlhaas gewählte Form eines 'Rechtsschlusses kraft der ihm angeborenen Macht' ist historisch nicht erklärbar, sie beruht ganz
auf Kleist eigenen Vorstellungen. Die Absicht, den Widersacher persönlich für die Wiedergutmachung in Anspruch zu nehmen, statt nur
auf dem Ersatz des erlittenen Schadens zu bestehen, geht auch am spätmittelalterlichen Recht vorbei (Weiteres siehe unter
GESTALTUNG).
... schickte die Kinder, in einen Wagen gepackt, über die Grenze ...
Grenze = nach Schwerin in Mecklenburg, wie im
FÜNFTEN TEIL gesagt wird.
[Dritter Teil]
... und verfasste ein sogenanntes 'Kohlhaasisches Mandat', worin er das Land aufforderte, dem Junker Wenzel von Tronka, mit
dem er in einem gerechten Krieg liege, keinen Vorschub zu tun ...
Die öffentliche Ankündigung einer Fehdehandlung, wie Kohlhaas sie hier vornimmt, war eine wichtige Voraussetzung für
die Rechtmäßigkeit einer solchen Maßnahme. Unangekündigt hätte es sich bloß um Raubüberfälle gehandelt. Zur Zeit
des historischen Kohlhaas gab es für die Fehde auch wirklich noch einen Ermessensspielraum, der sich allerdings infolge der
Durchsetzung des staatlichen Gewaltmonopols rasch verringerte.
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... nannte er sich "einen reichs- und weltfreien, Gott allein unterworfenen Herrn" ...
In der Fachliteratur wird darüber gestritten, ob Kohlhaas die Autorität des Kaisers damit noch anerkennt oder nicht, doch hat dies
für die Bewertung seiner Selbsteinschätzung keine Bedeutung. So oder so hat sie mit seiner tatsächlichen
Stellung in der Welt nichts zu tun, sondern kann nur mit Kleists eigenen Vorstellungen von einem - seinem - autonomen und souveränen Ich
erklärt werden (Weiteres siehe unter
GESTALTUNG).
... Aussicht auf Beute unter dem Gesindel, das der Friede mit Polen außer Brot gesetzt hatte ...
Friede mit Polen = möglicherweise eine Anspielung auf das Ende der Kämpfe gegen die Türken im Jahre 1538.
... zog er am Tage des heiligen Gervasius selbst aus, um den Drachen, der das Land verwüstete, zu fangen.
Tag des heiligen Gervasius = 19. Juni
... und nachdem er den Landvogt durch geschickte Märsche fünf Meilen von der Stadt hinweggelockt ...
Meilen = die Landmeile maß 7½ Kilometer.
... die ihn mit Essenzen und Irritanzen wieder ins Leben zurückzubringen suchten.
Irritanzen = anscheinend ein von Kleist gebildeter Begriff für Riechmittel.
... und da ein Haufen von hundertundachtzig Reisigen, den man gegen ihn ausschickte, zersprengt in die Stadt zurückkam ...
Reisige = berittene Soldaten (abgeleitet von 'Reise').
[Vierter Teil]
"Weil der Landesherr dir, dem du untertan bist, dein Recht verweigert hat ... Und muss ich dir sagen, Gottvergessener, dass deine
Obrigkeit von deiner Sache nichts weiß - was sag ich, dass der Landesherr, gegen den du dich auflehnst, auch deinen Namen nicht kennt ..."
Diese Äußerungen haben zu der Annahme geführt, dass Luther über die tatsächlichen Vorkommnisse nicht unterrichtet sei, also
von der Abweisung von Kohlhaasens Bittschrift durch den brandenburgischen Kurfürsten nichts wisse. Das ist jedoch ein Fehlschluss. Luther
spricht von der Obrigkeit, gegen die Kohlhaas sich auflehnt, d.h. vom sächsischen Kurfürsten, und befindet sich so allenfalls im Irrtum
darüber, dass Kohlhaas nicht sächsischer, sondern brandenburgischer Untertan ist. Viel näher liegt jedoch, dass Kleist selbst dies hier
nicht unterscheidet, denn auch Kohlhaas reagiert auf Luthers Vorhaltungen so, als sei er sächsischer Untertan, erklärt er doch diesem bei
seinem Besuch sofort:
Ihr habt mir in Eurem Plakat gesagt, dass meine Obrigkeit von meiner Sache nichts weiß; wohlan, verschafft mir freies Geleit,
so gehe ich nach Dresden ...
Auch in dem gesamten nachfolgenden Gespräch versteht sich Kohlhaas als sächsischer Untertan, insbesondere mit der Äußerung:
"Wohlan", versetzte Kohlhaas, "wenn mich der Landesherr nicht verstößt, so kehre ich auch wieder in
die Gemeinschaft, die er beschirmt, zurück. Verschafft mir, ich wiederhol es, freies Geleit nach Dresden ..."
Kleist war an einer rechtsgenauen Unterscheidung der Obrigkeiten hier also nicht interessiert, bzw. Luther wie Kohlhaas kommen darin überein,
dass für Kohlhaas beide Kurfürsten 'Obrigkeit' sind. Am Ende des Gespräches sagt dieser ausdrücklich:
"Lasst mich den Kurfürsten, meinen beiden Herren, ... und wer mich sonst in dieser Sache gekränkt haben mag, vergeben ..."
Luthers Schreiben an den sächsischen Kurfürsten argumentiert dann allerdings gerade umgekehrt, dass man nämlich Kohlhaas
mehr als eine fremde, in das Land gefallene Macht, wozu er sich auch, da er ein Ausländer sei, gewissermaßen qualifiziere, als
einen Rebellen, der sich gegen den Thron auflehne, betrachten müsse.
Ob dieses Argument, das sich am Ende in dem Eingreifen des brandenburgischen Kurfürsten zugunsten von Kohlhaas wieder aufgenommen
findet, für Luther als klugen Juristen sprechen soll, wird unter
GESTALTUNG erörtert.
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... dass bei so ärgerlichen Umständen nichts anderes zu tun übrig sei, als ... ihm des Vorgefallenen wegen zur
Erneuerung seines Prozesses Amnestie zu erteilen.
Amnestie = Straferlass, in diesem Falle allerdings nur, wie auch vom sächsischen Kurfürsten ausgesprochen, zum Zweck eines
Gerichtsverfahrens und nicht unabhängig von dessen Ausgang.
Der Kurfürst erhielt diesen Brief eben, als der Prinz Christiern von Meißen ... und die beiden Herren Hinz und Kunz von Tronka ... in dem
Schlosse gegenwärtig waren.
Kurfürst = Der sächsische Kurfürst zur Zeit der Kohlhaas-Handlung war Johann Friedrich der Großmütige (1503-1554), regierend
seit 1532. Es ist allerdings nicht anzunehmen, dass Kleist an seine historische Porträtierung gedacht hat. Das scheidet schon deshalb
aus, weil dieser Kurfürst aus dem Hause Sachsen-Coburg hauptsächlich in Coburg residierte und daneben noch Torgau als Regierungsplatz
ausbauen ließ, jedoch nichts mit Dresden zu tun hatte. Allerdings war Johann Friedrich ein großer Verehrer Luthers.
[Fünfter Teil]
... er möchte dem Prinzen von Meißen auf dem Gubernium melden, dass er, Kohlhaas der Rosshändler, da wäre.
Gubernium = Regierungshaus, Staatskanzlei (abgeleitet davon z.B. der 'Gouverneur').
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... nach Herstellung von einer gefährlichen Rose, die seinen Fuß entzündet hatte ...
Rose = 'Rotlauf', Entzündung der Haut aufgrund bakterieller Verunreinigung, verbunden mit einer Schwellung und oft
hohem Fieber.
... von dem Landesgericht unter peremtorischen Bedingungen aufgefordert worden, sich ... in Dresden zu stellen.
peremtorisch = jeden Aufschub ausschließend, endgültig.
Herr Wenzel von Tronka erließ demnach als Erb-, Lehns- und Gerichtsherr ein Schreiben an die Gerichte zu Wilsdruff ...
Erb-, Lehns- und Gerichtsherr = Wenzel von Tronka macht den Gerichten gegenüber sowohl sein Besitzrecht an
den Rappen geltend wie seine amtliche Befugnis, nach deren Verbleib zu forschen.
... führte sie, dürr und wankend an die Runge seines Karrens gebunden, auf den Markt der Stadt ...
Runge = Teil eines Leiterwagens, senkrecht auf den Achsen stehende Rundhölzer, die die Leitern stützen.
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... die Deposition in Lützen betreffenden Erläuterungen wegen, die man von ihm bedurfte ...
Deposition = Hinterlegung (der für den sächsischen Kurfürsten bestimmten, von Kohlhaas beschlagnahmten Wertsachen)
"Meinethalb mag er sie jetzt abludern und häuten!"
abludern = abfälliger Ausdruck für 'das Fell abziehen'.
... zog ... vom Leder und jagte den Knecht mit wütenden Hieben der Klinge augenblicklich vom Platz weg ...
zog vom Leder = zog das Schwert aus der (ledernen) Scheide.
[Sechster Teil]
... fingen sie jetzt an, in Wendungen arglistiger und rabulistischer Art diese Schuld selbst gänzlich zu leugnen.
rabulistisch = verwinkelt, haarspalterisch.
Nachdem er noch unter dem Vorwande, ein Geschirr auszugießen, den vordern Fensterladen eröffnet ... hatte ...
Geschirr = Nachttopf, damals gewöhnlich in den Rinnstein der Straße entleert.
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Wenn er nach dem Altenburgischen kommen und die Anführung des Haufens ... wieder übernehmen wolle ...
Altenburgisches = Das Gebiet um Altenburg, 40 Kilometer südlich von Leipzig.
das Unglück, ... in Krämpfen hässlicher Art, denen er von Jugend auf unterworfen war, niederzusinken ...
Krämpfe hässlicher Art = epileptische Anfälle.
... mit seinen fünf Kindern nach Hamburg zu gehen und sich von dort nach der Levante oder nach Ostindien ... einzuschiffen ...
Levante / Ostindien = die Länder des östlichen Mittelmeers (Syrien, Palästina, Arabien) und das heutige Indonesien.
[Siebenter Teil]
So standen die Sachen für den armen Kohlhaas in Dresden, als der Kurfürst von Brandenburg zu seiner Rettung aus den
Händen der Übermacht und Willkür auftrat ...
Kurfürst = Der brandenburgische Kurfürst zur Zeit der Kohlhaas-Handlung war Joachim II. Hector (1501-1571), Kurfürst ab 1535.
Er gilt mit seinem Übertritt zum Protestantismus im Jahre 1539 als Einführer der Reformation in Brandenburg, ist ansonsten aber nur
durch seine aufwendige Hofhaltung und gewaltige Schulden in die Geschichtsbücher eingegangen. Den historischen Kohlhaas hat er an
seiner Fehde gegen Sachsen eine Zeit lang nicht gehindert, ihn schließlich aber gefangen genommen und in Berlin hinrichten lassen. Wie im Falle des
sächsischen Kurfürsten hat Kleist auch hier an eine historische Porträtierung aber sicherlich nicht gedacht.
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Es traf sich aber, dass die Krone Polen grade damals ... den Kurfürsten von Brandenburg in wiederholten und dringenden
Vorstellungen anging, sich mit ihr in gemeinschaftlicher Sache gegen das Haus Sachsen zu verbinden ...
Die hier angedeuteten Streitigkeiten zwischen Polen und Sachsen hat es zur Zeit der Kohlhaas-Handlung nicht gegeben.
... dass man die Vollstreckung des über ihn ausgesprochenen Todesurteils für eine Verletzung des Völkerrechts halten
würde ...
Völkerrecht = Der Begriff kam erst im 17. Jahrhunderts auf, so wie überhaupt Abwägungen, Bürger welchen
Landes ein ergriffener Übeltäter war, für die Zeit der Handlung noch ohne Bedeutung waren.
... fragte ihn, auf welchen Grund er nunmehr den Rosshändler bei dem Kammergericht zu Berlin verklagt wissen wolle ...
Kammergericht = Hofgericht des brandenburgischen Kurfürsten, seit 1735 unabhängig und höchstes Gericht von Brandenburg,
heute das Oberlandesgericht des Landes Berlin.
... so beschloss der Kurfürst, [sich bei] der Majestät des Kaisers zu Wien ... über den Bruch des von ihm eingesetzten
öffentlichen Landfriedens zu beschweren ...
Kaiser zu Wien = Kaiser Karl V. (1500-1558) regierte überwiegend von Spanien aus. In Wien hat er sich nur ein einziges Mal (1532)
aufgehalten, als die Stadt gegen die Türken zu verteidigen war.
Landfrieden = Der 1521 von Karl V. bekräftigte Reichslandfrieden, schon 1497 erstmals verkündet, würde Fehdehandlungen wie die von Kohlhaas
verboten haben, wenn die Reichsgewalt auch nur annähernd in der Lage gewesen wäre, für Rechtssicherheit unter den deutschen Ländern
zu sorgen. Das jedoch war erst nach dem 30-jährigen Krieg, also ein ganzes Jahrhundert später, endgültig der Fall.
Es traf sich, dass der Kurfürst von Sachsen auf die Einladung des Landdrosts ... zu einem großen Hirschjagen ... nach Dahme gereist war.
Landdrost = 'Droste' ist der niederdeutsche Begriff für einen Landrat.
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... öffnete sie und nahm einen kleinen, mit Mundlack versiegelten Zettel heraus ...
Mundlack = Papiersiegel nach Art einer Briefmarke, mit denen gefaltete Papiere verschlossen wurden.
[Achter Teil]
... dass der sächsischerseits an ihn erlassene Bericht die Sache des Kohlhaas zu einer Angelegenheit gesamten Heiligen
Römischen Reichs gemacht hätte ...
Heiliges Römisches Reich = Das deutsche Kaiserreich verstand sich als Nachfolger des Römischen Reichs und nannte sich 'heilig' wegen
der Einsetzung des Kaisers durch den Papst. Vom 15. Jahrhundert an hieß es "Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation", löste sich
durch die Eroberungen Napoleons 1806 als Staatenbund aber auf.
... dass er sonst nicht, und wäre sie auch die römische Sibylle selbst, an ihre Worte glauben könne ...
römische Sibylle = Weissagerin in der Antike.
'... Dreierlei schreib ich dir auf, den Namen des letzten Regenten deines Hauses, die Jahreszahl, da er sein Reich verlieren und den Namen
dessen, der es durch die Gewalt der Waffen an sich reißen wird.'
Da der zur Zeit der Kohlhaas-Handlung regierende Kurfürst Johann Friedrich der Großmütige (1503-1554) im Jahre 1547 auf seine Kurwürde
verzichten musste (er hatte als Anführer des Schmalkaldischen Bundes gegen Kaiser Karl V. die Schlacht von Mühlberg verloren und
wurde als Protestant geächtet), dürfte sich der Zettel auf diese seine Zukunft und damit das Ende der ernestinischen Linie beziehen.
Den Sieg über ihn trug als Parteigänger des Kaisers sein Vetter Moritz von Sachsen (1521-1553) davon, mit dem er schon zuvor in
Gebietsstreitigkeiten gelegen hatte. Auch die Kurwürde ging auf Moritz von Sachsen und damit die albertinische Linie über. Moritz' jüngerer
Bruder August (1526-1586) baute Dresden zur sächsischen Residenzstadt aus.
Die weitläufigen Vermutungen, die es in der Fachliteratur über möglicherweise ganz andere Inhalte dieses Zettels gibt, nämlich
dass die Prophezeiung wegen der Residenzstadt Dresden vielleicht auf die albertinische Linie bezogen sei, von deren Ende Kleist noch gar nichts wissen
konnte usw., gehen in die Irre. Da dem Kurfürsten von der Zigeunerin nichts Gutes verkündet werden kann, muss sich die Prophezeiung
auf eine baldige Veränderung beziehen, und hier kam für Kleist und seine Leser nur die Absetzung des Kurfürsten Johann Friedrich
im Jahre 1547 infrage.
Nun traf es sich, dass der Kämmerer mehrerer beträchtlichen Güter wegen, die seiner Frau ... in der Neumark zugefallen waren ...
Neumark = die spätere, 'neue' Mark Brandenburg rechts der Oder bis zur Warthe.
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... verurteilt ward, mit dem Schwerte vom Leben zum Tode gebracht zu werden, ein Urteil, an dessen Vollstreckung ..., seiner Milde
ungeachtet, niemand glaubte ...
Dass die Enthauptung hier als 'mildes Urteil' bezeichnet wird, erklärt sich aus den furchtbaren Torturen, die mit andere Hinrichtungsarten
einhergehen konnten.
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... und vielleicht die Krone Polen, mit welcher die Verhältnisse immer noch sehr kriegerisch waren, damit gemeint sei ...
Verbindungen zwischen Sachsen und Polen ergaben sich erst anderthalb Jahrhunderte später.
... und der Hinrichtungstag bereits auf den Montag nach Palmarum festgesetzt sei ...
Palmarum = Palmsonntag, der Sonntag vor Ostern, fiel im Jahr 1540 auf den 21. März.
Ja, er hatte noch die Genugtuung, den Theologen Jakob Freising, als einen Abgesandten Doktor Luthers, mit einem
eigenhändigen, ohne Zweifel sehr merkwürdigen Brief, der aber verloren gegangen ist, in sein Gefängnis treten zu sehen ...
Ein weiterer solcher Brief existiert nicht, Kleist will hier offenbar eine nachträgliche Rehabilitierung Kohlhaasens durch Luther andeuten.
... und während die Träger sie aufhoben, um sie anständig auf den Kirchhof der Vorstadt zu begraben ...
Mit dem 'anständigen Begräbnis', das Kohlhaas hier zuteil wird, erweist man ihm noch einmal eine Ehre, da Hingerichtete oft nicht auf
dem Kirchhof beigesetzt, sondern unehrenhaft auf dem Galgenberg oder dem Schindanger begraben wurden.