
»Und habe die Schuld auf meiner Seele«, wiederholte
sie. »Ja, da
hab ich sie. Aber
lastet sie auch
auf meiner Seele? Nein. Und das ist es, warum ich vor mir selbst
erschrecke. Was da lastet, das ist etwas ganz anderes - Angst,
Todesangst und die ewige Furcht: es kommt doch am Ende noch an
den Tag. Und dann außer der Angst ... Scham. Ich schäme
mich. Aber wie ich nicht die rechte Reue habe, so hab ich auch
nicht die rechte Scham. Ich schäme mich bloß von wegen
dem ewigen Lug und Trug; immer war es mein Stolz, dass ich
nicht lügen könne und auch nicht zu lügen brauche,
lügen ist so gemein, und nun habe ich doch immer lügen
müssen, vor ihm und vor aller Welt, im Großen und im
Kleinen, und Rummschüttel hat es gemerkt und hat die Achseln
gezuckt, und wer weiß was er von mir denkt, jedenfalls
nicht das Beste. Ja, Angst quält mich und dazu Scham über
mein Lügenspiel. Aber Scham über meine Schuld, die hab
ich
nicht oder doch nicht so recht oder doch nicht genug,
und das bringt mich um, dass ich sie nicht habe. Wenn alle
Weiber so sind, dann ist es schrecklich, und wenn sie nicht so
sind, wie ich hoffe, dann steht es schlecht um mich, dann ist
etwas nicht in Ordnung in meiner Seele, dann fehlt mir das richtige
Gefühl. Und das hat mir der alte Niemeyer in seinen guten
Tagen noch, als ich noch ein halbes Kind war, mal gesagt: auf
ein richtiges Gefühl, darauf käme es an, und wenn man
das habe, dann könne einem das Schlimmste nicht passieren,
und wenn man es nicht habe, dann sei man in einer ewigen Gefahr,
und das, was man den Teufel nenne, das habe dann eine sichere
Macht über uns. Um Gottes Barmherzigkeit willen, steht es
so mit mir?«