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Achtundzwanzigstes Kapitel
Sprung zum Absatz 31 des Romantextes Die Abläufe von Duellen, wie hier eins stattfindet, waren streng geregelt, da nur bei einem regelgerechten Ablauf gewährleistet war, dass es in der Folge nicht zu einem Strafverfahren wegen Mordes oder Mordversuches kam. Über die Einhaltung der Regeln wachten die bestellten Sekundanten. Sie vereinbarten die Form des Duells, bestimmten den Platz, beaufsichtigten die Durchführung und hielten das Ergebnis in einem Protokoll fest. Für den Fall einer Regelverletzung verpflichteten sie sich, den Regelverletzer unter Umständen wegen Mordes vor Gericht zu bringen.
Das hier stattfindende Duell ist ein Pistolenduell mit Vorrücken (im Unterschied zu Duellen mit festem Standort). Die Gegner stellten sich in diesem Falle 35 bis 40 Schritte voneinander auf (der Schritt wurde zu 75 Zentimeter gerechnet), erhielten die für einen einzigen Schuss präparierte Waffe und nahmen auf das Kommando "Vorwärts!", gegeben von einem der Sekundanten, den Kampf auf. Zunächst musste der Hahn gespannt und die Waffe mit dem Lauf nach oben in Anschlag gebracht werden. Dann setzte man sich auf einer geraden Linie aufeinander zu in Bewegung, wobei das Tempo und der Schießzeitpunkt frei zu wählen waren. Für den Schuss musste man stehen bleiben, man durfte aber auch stehen bleiben ohne zu schießen und konnte nach Belieben das Vorrücken wieder aufnehmen.
Vorgerückt werden durfte aber höchstens bis zu einer markierten Stelle, der Barriere, die von der Barriere des Gegners einen Mindestabstand von 15 Schritten haben sollte. Wenn es für das hier geschilderte Duell heißt, dass man "auf zehn Schritt Distance" feuern sollte, so entspricht das mithin nicht mehr der Vorschrift, weil es eine geradezu mörderisch geringe Distanz ist. Aber es mag sein, dass das Ardenne-Duell tatsächlich so ablief. Die Zeitungsberichte sprechen von einem Pistolenduell 'unter sehr schweren Bedingungen', und da Fontane auch über Details informiert war (Näheres siehe unter ENTSTEHUNG), wusste er auch die Distanz vielleicht genau.
War der erste Schuss gefallen, musste der Gegner, sofern er dazu noch in der Lage war, binnen einer Minute - die Sekunden wurden angesagt - ebenfalls schießen. Dafür konnte er bis auf die geringste Distanz, also bis zu seiner Barriere, vorrücken, während der andere unbeweglich auf dem Platz, von dem aus er geschossen hatte, stehen bleiben musste. Der zuerst Schießende hatte also den Vorteil, den Gegner niederstrecken zu können, bevor dieser zum Schuss kam, aber den umso größeren Nachteil, diesem ein festes Ziel zu bieten, wenn er ihn verfehlte oder nur leicht verletzte. - Innstetten und Crampas indessen schießen beinahe gleichzeitig, und da Crampas nicht trifft, ist das Duell entschieden.
Die Aufstellung beim Pistolenduell mit Vorücken - hier haben die Schützen die jeweilige Barriere schon fast erreicht.
Benutzte Literatur: Hergsell, Gustav
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Als Waffen bei solchen Duellen wurden Pistolen benutzt, die noch keine gezogenen, sondern glatte Läufe hatten, d.h. bei denen der Lauf noch nicht mit einem Schneckenprofil zur genaueren Führung des Geschosses versehen war. Sie mussten auch noch mit Pulver und Kugel geladen werden und blieben sowohl in Zielgenauigkeit wie Durchschlagskraft weit hinter den moderneren Patronen-Waffen zurück. Pro Ladevorgang war deshalb auch nur ein Schuss möglich, und sogar die Stärke der Ladung konnte Teil der Duell-Vereinbarung sein, wenn man das Risiko einer tödlichen Verletzung vermindern wollte.
Ein Satz Perkussions-Pistolen mit Zubehör aus der Zeit um 1840 (Kunstsammlungen der Veste Coburg).
Keineswegs war es also der Zweck des Pistolen-Duells, dass einer der Kontrahenten zu Tode kam. Wegen der geringen Zielgenauigkeit der Waffen blieben vielmehr oft sogar beide unverletzt, wenn auch natürlich die Todesfolge immer einkalkuliert war. So war es auch mehr die bewusste Inkaufnahme dieses Risikos, dass die Debatten um das Duell im 19. Jahrhundert immer wieder auflebten, als die Zahl der tatsächlichen Opfer. Von 270 Duellen, die in Preußen von 1800 bis 1914 vor zivile Gerichte kamen, hatten lediglich 78 tödlich geendet - eine verschwindend geringe Zahl verglichen mit der Zahl der Getöteten in anderen persönlichen Auseinandersetzungen. Nicht erfasst sind dabei allerdings die tödlich verlaufenen Duelle unter Militärangehörigen, die ja nicht vor zivilen, sondern vor Militärgerichten verhandelt wurden, aber auch hier werden es nicht mehr als ein paar hundert gewesen sein.
Benutzte Literatur: Frevert, Ute