[Erster Teil]
... im Dorfe B., das ... das Auge jedes Reisenden fesselt durch die überaus malerische
Schönheit seiner Lage in der grünen Waldschlucht eines bedeutenden und geschichtlich merkwürdigen Gebirges.
In Verbindung mit dem schon in der Überschrift gegebenen Hinweis auf das 'gebirgichte Westfalen' wird das Geschehen sofort vergleichsweise genau
lokalisiert. Das 'geschichtlich merkwürdige Gebirge' kann nur der Teutoburger Wald mit der legendären Hermannsschlacht sein, zumal
er bald darauf ausdrücklich auch genannt wird (siehe
ZWEITER TEIL). Der weitere Hinweis auf die
Nähe eines Flusses, der in die See mündete und bedeckte Fahrzeuge trug ...
lässt wiederum nur die Weser infrage kommen, sodass also das Gebiet zwischen dem südlichen Teutoburger Wald und der Weser, heute als
Weserbergland bezeichnet, der Handlungsraum der Novelle ist.
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Der Handlungsraum der Novelle
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Das Dorf B. galt für die hochmütigste, schlauste und kühnste Gemeinde des ganzen Fürstentums.
Für die angegebene Zeit - das mittlere 18. Jahrhundert - gehört die bestimmte Gegend teils zum Fürstbistum Paderborn, teils zum
Fürstbistum Corvey, die beide bis 1803 selbstständig gewesen sind. - Das 'Dorf B.' wäre im Rahmen dieser Angaben allerdings nicht
mehr identifizierbar, ja man könnte nach den Üblichkeiten des 19. Jahrhunderts auch eine fiktive Angabe darin sehen. Da jedoch die
'Judenbuchen'-Geschichte einen historischen Hintergrund hat (siehe unter
ZITATE), lässt sich annehmen, dass
das Dorf Bellersen mit dieser Abkürzung gemeint ist, weil eben dort der Mörder des Juden in dem historischen Fall gewohnt hat. Außerdem
wird in Drostes Handschriften dieser Name noch ausgeschrieben. Bellersen gehörte zu Paderborn und lag dicht an der Grenze zu Corvey.
... die Nähe eines Flusses, der in die See mündete und bedeckte Fahrzeuge trug, groß genug, um Schiffbauholz bequem und
sicher außer Land zu führen.
Gemeint sein kann nur die Weser mit ihrem Verlauf über Bremen und Bremerhaven bis in die Nordsee. 'Außer Landes' meint hier aber
nur den Transport über die Grenzen des Fürstbistums Paderborn hinaus, wobei Corvey als das zur Weser hin liegende Gebiet wohl mit zu
Paderborn gerechnet wird.
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Blick über die Weser auf das Weserbergland
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Der alte Mergel war das Gespenst des Brederholzes geworden; einen Betrunkenen führte er als Irrlicht bei einem
Haar in den Zellerkolk.
Als Flurbezeichnungen üblich sind heute der 'Bredenborner Wald' östlich von Bredenborn und das 'Masterholz' südlich von
Bredenborn, während vermutlich 'Zellerkolk' (gemeint ist ein Teich oder Tümpel) ein erfundener Name ist.
Annette von Droste-Hülshoffs kannte die älteren Ortsbezeichnungen in der Gegend um Bellersen allerdings besser, als wir sie heute
kennen. Sie hielt sich schon in jungen Jahren einige Male bei der großelterlichen Familie von Haxthausen in Bökendorf auf und wohnte
in den Sommermonaten 1838 und 1839 noch einmal in Abbenburg, das ebenfalls den Haxthausens gehörte.
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Die Gegend um Bellersen
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[Zweiter Teil]
Er war zwölf Jahre alt, als seine Mutter einen Besuch von ihrem jüngeren Bruder erhielt, der in Brede wohnte ...
Wegen der Namensverwandtschaft und weil der Weg nach Brede durch das Brederholz führt, kann man davon ausgehen, dass
Bredenborn der gemeinte Ort ist.
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Aber wo hütet er? Im Telgengrund? im Roderholze? im Teutoburger Wald?
Weder 'Telgengrund' noch 'Roderholz' sind in der Umgebung von Bellersen heute als Namen nachweisbar.
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Jetzt nahten die beiden sich der Stelle des Teutoburger Waldes, wo das Brederholz den Abhang des Gebirges niedersteigt und einen sehr
dunkeln Grund ausfüllt ... "Weißt du auch, was darin vorgefallen ist?" ... Diese letzten Worte wurden unter dem Schirme einer
weiten Buche gesprochen, die den Eingang der Schlucht überwölbte.
Zwar ist es nicht gesagt, doch dürfte mit der 'weiten Buche' die dann so bezeichnete Judenbuche gemeint sein. Den späteren Angaben
zufolge ist sie jedenfalls ebenso wie die Eiche, unter der Hermann Mergel tot aufgefunden wird, im Brederholz zwischen Bellersen und Brede
anzunehmen. Auf der Grundlage einer Karte von 1887 stellt sich die Handlungsgegend so dar:
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Der Weg von Bellersen nach Brede
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... beide legten schweigend den übrigen Teil des Waldes zurück, und das Dorf Brede lag vor ihnen
mit seinen Lehmhütten und den einzelnen bessern Wohnungen von Ziegelsteinen ...
Lehmhütten = gemeint sind die mit Stroh und Lehm verfüllten einfachen Fachwerkhäuser, während bei besseren Häusern
das Fachwerk mit Ziegelsteinen ausgefüllt war.
[Dritter Teil]
... im Osten zeigte sich bereits ein schmaler gelber Streif, der den Horizont besäumte und den Eingang einer engen Talschlucht wie mit
einem Goldbande schloss.
Mit dem Hinweis auf eine Schlucht und die nachfolgend wiederum genannte Buche dürfte es sich um dieselbe Stelle handeln, die auch
zuvor schon in den Blick genommen wird (siehe
ZWEITER TEIL, ABSATZ 9)
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"Nein, Herr«, rief Friedrich, »wenn Ihr zu den anderen Förstern wollt, die sind dort an der Buche hinaufgegangen." -
"An der Buche?", sagte Brandis zweifelhaft, "nein, dort hinüber, nach dem Mastergrunde."
Die Wege durch den Mastergrund und an der Buche vorbei müssen sich so trennen, dass Brandis nach einiger Zeit auf die von dem Holzplatz
abziehenden Blaukittel trifft, während die übrigen Förster dort selbst ankommen. Die Karte zeigt ein solches Lageverhältnis.
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Die Wege der Förster im Masterholz
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Als sie nun um den Bremerberg gewendet und zugleich der Wind umgeschlagen, habe man deutlich im Masterholz
fällen gehört ...
Einen Bremerberg gibt es tatsächlich in dieser Gegend, drei Kilometer westlich von Vörden, aber er ist vom Masterholz zu weit
weg (annähernd 10 Kilometer Luftlinie), als dass Holzfäller bis dorthin gehört werden könnten. Der Name wird
also ohne Anbindung an die Schauplatzbestimmung gebraucht.
Da man nun überlegt, dass es zu nichts nützen könne, den Oberförster zu erwarten, sei man rasch der andern Seite
des Waldes zugeschritten ... Hier habe ... er etwas im Gestrüpp blitzen sehen; es war die Gurtschnalle des Oberförsters ...
Die Förster finden auf dem vermuteten Rückzugsweg der Blaukittel den erschlagenen Brandis, der diesen allein in den Weg getreten
ist und offenbar zwecks Verhinderung einer Anzeige von ihnen umgebracht wurde.
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Der Förster lag am Ausgange des Masterholzes; über dreiviertel Stunden Weges von der Schlucht, in der er Friedrich um vier
Uhr angeredet und aus der dieser seine Herde schon zehn Minuten später ins Dorf getrieben.
Bei der in der Karte gezeigten Lagebestimmung liegt Bellersen von Friedrich Mergels Weideplatz etwa einen Kilometer entfernt, die Stelle, wo der
Förster gefunden wird, aber in entgegengesetzter Richtung drei bis vier Kilometer. Friedrich Mergel hat also ein einwandfreies Alibi. Auch ohne
weitere Anhaltspunkte im Text darf man folgern, dass sich die mit den örtlichen Verhältnisse vertraute Annette von Droste-Hülshoff
die Lage der verschiedenen Plätze zueinander etwa so, wie sie das Kartenbild zeigt, auch vorgestellt hat.
[Vierter Teil]
Sie behaupteten, von des alten Mergels Geist verfolgt worden zu sein, als sie durchs Brederholz heimkehrten.
Dass die von der Hochzeit aus Bellersen zurückkehrenden beiden Kleinknechte Zeuge des Mordes an Aaron im Brederholz werden (denn nichts
anderes besagen die Geräusche), weist auf Abbenburg als das Gut des Freiherrn hin. Der Gutsherr selbst benutzt mit seiner Kutsche die
Straße, die das Waldgebiet umfährt. - Annette von Droste-Hülshoffs genaue Vorstellungen von den angedeuteten
Ortsverhältnissen erklären sich daraus, dass sie sich in den Sommern 1838 und 1839, d.h. zum Zeitpunkt der Arbeit an der Novelle, monatelang
bei ihren Verwandten in Abbenburg aufgehalten hat (siehe unter
ENTSTEHUNG).
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Die Wege von Bellersen nach Abbenburg
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"... Und wo hielten wir? Dicht an der Heerser Tiefe und den Turm von Heerse gerade unter uns. "
Etwa 15 Kilometer südwestlich von Bellersen gibt es den Ort Neuenheerse, doch die Beschreibung eines Steilabhanges am
Ortsrand passt nicht auf ihn.
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Seit Menschengedenken waren nicht so viel Juden beisammen in L. gesehen worden.
Über den mit dieser Abkürzung vielleicht gemeinten Ort sind ebenso wenig sichere Auskünfte zu geben wie über
das 'Gericht zu P.', wenn schon in diesem Falle alles für die Landeshauptstadt Paderborn spricht:
"... Soeben schreibt mir der Präsident des Gerichtes zu P.: 'Le vrai n'est pas toujours vraisemblable' ..."
Von der Auflösung der Chiffren hängt für das Verständnis der Novelle aber auch weiter nichts ab.
[Fünfter Teil]
Johannes erzählte nun, wie sie glücklich durch P. und über die Grenze gekommen. Von da an hatten sie sich als wandernde
Handwerksburschen durchgebettelt bis Freiburg im Breisgau.
Die Grenze des Fürstbistums Paderborn, das mit 'P.' sicherlich gemeint ist, wäre in westlicher Richtung die zum Herzogtum Westfalen
gewesen, etwa 30 Kilometer hinter Paderborn. Das Ziel Freiburg erklärt sich mit dessen Zugehörigkeit zu Österreich, das allerdings
in Richtung Böhmen früher hätte erreicht werden können.
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"... Hier ist ein Brief nach P. Es hat keine sonderliche Eile."
Mit diesem 'P.' kann das annähernd 40 Kilometer entfernte Paderborn nicht gemeint sein, nach dort wäre ein gehbehinderter Bote mindestens
zwei Tage unterwegs gewesen. Acht Kilometer westlich von Bellersen liegt aber z.B. der Ort Pömbsen, zu dem auch der Gang durch das Brederholz
infrage gekommen wäre.
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Vierzehn Tage später kehrte der junge Brandis morgens von einer Besichtigung seines Reviers durch das Brederholz heim. ... Ringsumher
kein Baum außer der Judenbuche. ... Totenbleich kam er auf dem Schlosse an: in der Judenbuche hänge ein Mensch ...
Die Angaben an dieser Stelle bestätigen noch einmal die räumliche Nähe von Judenbuche, Gutshaus und Dorf, so wie sie in den
Karten auch dargestellt ist.