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Erstes Kapitel
Schon damit, dass Eichendorff seinem Helden den Namen Taugenichts gibt, bekennt er sich demonstrativ zu der Hauptschwäche, die man dem romantischen Menschen nachsagt: für das gewöhnliche Leben nicht zu taugen. Von Ludwig Tieck über Novalis bis zu E.T.A. Hoffmann gibt es eine ganze Reihe von literarischen Figuren, die auch eigentlich dem Leben nicht gewachsen sind, die aber als Träumer, Schwärmer, Künstler eine höhere Idee vertreten und deshalb so abfällig nicht bezeichnet werden. Eichendorff als Spätromantiker kann auf eine solche Idee verzichten. Unbekümmert erklärt er das 'Untüchtige' zu einem Wert an sich und lässt die Anforderungen des gewöhnlichen Lebens dagegen nicht gelten.
Das Übermütige und zugleich Unrealistische an dieser Alternative wird allerdings von Anfang an eingestanden. Die Geschichte dieses Troubadours - 'Der neue Troubadour' sollte das Werk ursprünglich auch heißen - wird erzählt wie ein Scherz, sie ist gar nicht darauf angelegt, dass wir sie glauben. Es ist deshalb auch fragwürdig, wie es seit Georg Lukács' marxistischer Auslegung immer wieder geschieht, aus dem Taugenichts einen Opponenten gegen die kapitalistische Ausbeutung oder die bürgerliche Gesellschaft zu machen und dem Werk wer weiß welche Widerstandsabsichten nachzusagen.
Benutzte Literatur: Lukács, Deutsche Realisten des 
                  19. Jahrhunderts, 1951
Die darin gescholtenen Bürger oder 'Philister' haben sich von Anfang an bestens mit ihm unterhalten, eben weil es die Lebenseinstellung dieses Romantikers gerade nicht in vollem Ernst für richtig erklärt. In einer der ersten Rezensionen, erschienen 1826 in den 'Blättern für literarische Unterhaltung', heißt es:
Wer einmal Lust empfindet, ein ewiges Sonntagsleben mitlebend zu genießen, der vergnüge sich bei dieser von Frühlingsluft durchhauchten Novelle. Von 'Sorgen, Last und Noth um Brot' ist darin keine Spur zu treffen; es ist die Schilderung eines Schlaraffenlandes und -Lebens ... Wir können uns doch auch einmal in einem solchen sorglosen gemüthlichen Leben freuen, zumal wenn es, so durch und durch harmlos, nur die liebenswürdige Seite des menschlichen Charakters hervorhebt. ... Die Wahrheit ... ist, daß jeder in der Regel das Leben so findet, wie er es sucht; der Argwöhnische sieht Alles schwarz, Mistrauen begegnet ihm, dem Fröhlichen wird auch die Welt außer ihm fröhlich erscheinen.
Benutzte Literatur: ter Haar,  Joseph von Eichendorff, 'Aus dem 
                  Leben eines Taugenichts', 1977.
Zum Unernst und zur Leichtigkeit gehören auch die verschiedentlich auftretenden Undeutlichkeiten oder Widersprüche, die in der Handlung begegnen. 'Wer wird so kleinlich sein', hört man den Erzähler zwischen den Zeilen gewissermaßen sagen, es kommt ja nicht auf die Geschichte, sondern nur auf die durch sie vermittelte Stimmung an. Im weiteren wird auf solche Unstimmigkeiten allerdings doch hingewiesen, weil sie Eichendorffs besondere Erzählweise auch erhellen.
Sprung zur Textstelle "... Der Frühling ist vor der Tür, geh auch einmal hinaus in die Welt und erwirb dir selber dein Brot."
Mit diesem Satz und der gesamten Einführung ahmt Eichendorff den Erzählton der Grimmschen "Kinder- und Hausmärchen" (1812-15) nach: der Leser soll über das Märchenhafte des Geschehens sofort im Bilde sein. Auch dass der Ich-Erzähler nur 'Taugenichts' heißt und weiter keinen Namen hat, ist ein Märchen-Element, 'Aschenputtel', 'Daumesdick' oder das 'Tapfere Schneiderlein' sind ebenso benannt.
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Sprung zur Textstelle Die Trägen, die zu Hause liegen ...
Mit der zweiten Strophe des Liedes werden die eigentlich Arbeitenden, die der Taugenichts in dem Dorf zurücklässt, zu 'Trägen' erklärt, weil sie zu Hause bleiben, immer dasselbe tun, nichts Neues zu erfahren suchen. Fleiß und Trägheit sind also keine gegensätzlichen, sondern sich durchaus vertragende Haltungen. Munter ist nur, wer aufbricht, etwas riskiert, das Gewohnte hinter sich lässt.
Benutzte Literatur: Busse, Ist 
                  Eichendorff ein 'sozialer Realist'?
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Sprung zur Textstelle Wie aber denn die Sonne immer höher stieg ... und alles in der Luft und auf der weiten Fläche so leer und schwül und still wurde über den leise wogenden Kornfeldern ...
Zum Zeitsprung vom Frühjahr in den Sommer, der hier vorliegt, siehe unter SCHAUPLÄTZE.
so leer = das verstärkende, emphatische 'so' ist typisch für Eichendorffs Beschreibungen. Es lässt das genaue Ausmaß der Leere, Schwüle, Stille usw. unbestimmt und setzt ein persönliches Empfinden an seine Stelle. So kann sich der Leser selbst zu den benannten Erscheinungen die für ihn passende Ausdehnung vorstellen.
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Sprung zur Textstelle ... sie nahm auch die Gitarre in den weißen Arm und sang dazu so wundersam über den Garten hinaus, dass sich mir noch das Herz umwenden will vor Wehmut, wenn mir eins von den Liedern bisweilen einfällt - und ach, das alles ist schon lange her.
lange her = der hier erklärte große Zeitabstand zwischen dem Erlebten und seiner Wiedergabe in dieser Erzählung wird im weiteren Verlauf nicht bestätigt. Da die 1826 erschienene Novelle in der Zeit nach 1822 spielt (siehe unter LEBENSWELT zu Kapitel 8), gibt es so gut wie keinen Zeitabstand zwischen dem Erzählzeitpunkt und den mitgeteilten Erlebnissen. Man käme auch zu heiklen Fragen, wenn man einen solchen Abstand unterstellte: Hat die Liebe zu der 'Schönen Frau' sich also bald abgekühlt? Oder hat sie ihn verlassen oder ist sie gestorben? Eichendorff hat solche Fragen aber bestimmt nicht bezweckt. Das melancholische 'Lang, lang ist's her' ist einfach ein Stil-Element und hat hier weiter nichts zu bedeuten.
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Sprung zur Textstelle ... es fiel mir jetzt auf einmal alles recht ein, wie sie so schön und ich so arm bin und verspottet und verlassen von der Welt - und als sie alle hinter Büschen verschwunden waren, da konnt ich mich nicht länger halten, ich warf mich in das Gras hin und weinte bitterlich.
Mit dem Märchen- und Bibelton an dieser Stelle wird der Kummer des Taugenichts so pathetisch formuliert, dass er nicht mehr ganz ernst genommen werden kann. Es handelt sich nicht um eine Klage, sondern nur um ein Klage-Zitat. Ganz ins Ironische schlägt die Formulierung jedoch nicht um, da sie sich mit der Naivität des Taugenichts noch halbwegs verträgt.