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Epochenumbruch um 1900: Naturalismus - Symbolismus - Expressionismus


Die Sprachkrise


Zweisprachige Schriftsteller/Innen in Deutschland


Zweisprachige Schriftsteller/Innen in Deutschland

Seit vielen Jahren publizieren Schriftsteller(innen in der Bundesrepublik, deren Muttersprache nicht Deutsch ist. Unter ihnen sind z.B. Emigranten, die ab den 50er Jahren aus den Mittelmeeranrainerstaaten in die Bundesrepublik eingereist sind. Einige schrieben zunächst in ihrer Muttersprache und veröffentlichten in Emigranzenzeitschriften, die meist im Eigendruck entstanden. Auch Exilierte, die auf Grund der politischen Verhältnisse ihre Herkunftsländer verlassen mussten und in Deutschland Asyl suchten, waren oft schriftstellerisch tätig. Mitunter wurden ihre Texte zweisprachig abgedruckt oder mussten erst vor der Veröffentlichung aus der Muttersprache ins Deutsche übersetzt werden. Indem auch ausländische Studentinnen und Studenten sowie Migrationskindert, die bereits in Deutschland geboren wurden, mehr und mehr zu den Autoren zählten, außerdem die meisten Emigranten die deutsche Sprache erlernten, wurde Deutsch zur Literatursprache für viele zweisprachige Schriftsteller/innen.
Da den Schriftstellern der Dialog mit anderen Nicht-Muttersprachlern wie auch mit deutschen Leserinnen und Lesern immer notwendiger erschien, gründeten einige von ihnen in den 80er Jahren in Frankfurt / Main den "POlynationalen Literatur- und Kunstverein" ("PoliKunst"). Lesungen, Ausstellungen und die Publikation von Jahrbüchern sowie Anthologiereihen folgten. Mittlerweile sind einzelne Autoren mit Erzähl- oder Gedichtbänden bekannt geworden, wie z.B. Rafik Schami (*1946) mit seinen Märchen, Gino Chiellino (*1946) mit seiner Lyrik oder Emine Sevgi Özdamar (*1946) mit ihren Romanen.


Franco Biondi:
In der pizzeria der altstadt (1989)

Während sie am tisch nebenan
ein rundes ding aßen
das mit einer pizza Napoli
ähnlichkeit hatte
und dabei
über ihre versagten revolutionen
über die mangelnde internationale solidarität
über ihre reise in die gestrandeten träume
glatte sätze losließen

tranken wir
aus schaumbeschmierten gläsern
abgestandenes mainzer export
das ähnlichkeit mit uns selber hatte
und dabei schwiegen wir
über unsere enttäuschten hoffnungen
über die ausgebliebenen kontakte
über den weggespülten rückkehrwunsch

wartend, daß auch dieser tag
vom deutschen alltagspinsel weggewischt wird.
Und unsere sätze
zwischen jedem schluck
waren weder glatt noch gehobelt
eher ganz rau -
sie trugen in ihrer hülse
den rhythmus der maschinen
und den inhalt dieses abends
in der pizzeria in der altstadt


Arbeitsaufträge:

1) Untersuche das Gedicht unter dem Aspekt der Sprache (Mutter- und Zweitsprache) in dem Text von Franco Biondi.
2) Welchen Beitrag kann Migrantenliteratur für das interkulturelle Verstehen leisten?
3) Suche weitere Beispiele für Literatur zweisprachiger Autoren und vergleiche sie mit dem Gedicht von Biondi.




Franco Biondi (geboren am 8. August 1947 in Forlì/Italien) ist ein deutschsprachiger Schriftsteller italienischer Herkunft. Biondi gilt als der "Nestor" der sogenannten Gastarbeiterliteratur, da er sich in seinen Werken Biondi immer wieder mit dem Problem der Integration der Einwanderer in die bundesdeutsche Gesellschaft auseinandersetzt.

Der Sohn einer Schaustellerfamilie kam 1965, als damals 18 jähriger, zusammen mit seinem Vater als Gastarbeiter in die BRD. Sein erlernter Beruf war Schlosser und Elektroschweißer. Er arbeitete zehn Jahre in seinen erlernten Berufen und als Chemie- und Fließbandarbeiter und erwarb die Mittlere Reife und das Abitur in Abendkursen.

Von 1976 bis 1982 studierte er Psychologie. Im Jahr 1983 erhielt er mit Aras Ören den literarischen Förderpreis der Bayerischen Akademie der Schönen Künste und 1987 gemeinsam mit Gino Chiellino den Adelbert-von-Chamisso-Preis.Im Jahr 2005 erhielt er ein Arbeitsstipendium der Robert Bosch Stiftung.
Von 1965 - 1988 lebte er in Mainz und Umgebung. Heute lebt er mit seiner deutschen Frau, die ebenfalls Psychotherapeutin ist, in Hanau. Er arbeitet als Familientherapeut im Theresien Kinder- und Jugendhilfezentrum in Offenbach.

© 2010 by Kristin Zurmühlen
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