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Siebzehntes Kapitel
Sprung zum Absatz 19 des Romantextes
"... Gedanken und Wünsche sind zollfrei."
Gedanken sind zollfrei: auf Luther ("Von weltlicher Obrigkeit", 1523) zurückgehende Redewendung, die sich als "Unsere Gedanken sind frei" schon bei Cicero ("Pro Milone") findet. Vgl. auch das bekannte Volkslied "Die Gedanken sind frei" aus dem Anfang des 19. Jahrhunderts.
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Sprung zum Absatz 34 des Romantextes
"... Übrigens hat Heine dem Gedicht einen anderen Namen gegeben, ich glaube 'Seegespenst' oder so ähnlich. Aber Vineta hat er gemeint ..."
In Heines Gedicht "Seegespenst" aus dem 'Nordsee'-Zyklus im "Buch der Lieder" (1825) erblickt der Reisende auf dem Meeresgrund eigentlich keine Stadt mit Kirchgängern, sondern eine verloren geglaubte, ferne Geliebte, um deretwillen er sogar sein Leben hergeben will. Der größere, von Crampas nicht berücksichtigte Mittelteil des Gedichtes lautet:
...
Mich selbst ergreift des fernen Klangs
Geheimnisvoller Schauer!
Unendliches Sehnen, tiefe Wehmuth,
Beschleicht mein Herz,
Mein kaum geheiltes Herz;
Mir ist, als würden seine Wunden
Von lieben Lippen aufgeküßt,
Und thäten wieder bluten, -
Heiße, rothe Tropfen,
Die lang und langsam niederfall'n
Auf ein altes Haus, dort unten
In der tiefen Meerstadt,
Auf ein altes, hochgegiebeltes Haus,
Das melancholisch menschenleer ist,
Nur daß am untern Fenster
Ein Mädchen sitzt,
Den Kopf auf den Arm gestützt,
Wie ein armes, vergessenes Kind -
Und ich kenne dich armes, vergessenes Kind!
So tief, meertief also
Verstecktest du dich vor mir,
Aus kindischer Laune,
Und konntest nicht mehr herauf,
Und saßest fremd unter fremden Leuten
Jahrhunderte lang,
Derweilen ich, die Seele voll Gram,
Auf der ganzen Erde dich suchte,
Und immer dich suchte,
Du Immergeliebte,
Du Längstverlorene,
Du Endlichgefundene, -
Ich hab' dich gefunden und schaue wieder
Dein süßes Gesicht,
Die klugen, treuen Augen,
Das liebe Lächeln -
Und nimmer will ich dich wieder verlassen,
Und ich komme hinab zu dir,
Und mit ausgebreiteten Armen
Stürz' ich hinab an dein Herz -
...
Wenn Effi aufgrund der harmlosen Kennzeichnung ausruft, sie möchte das Gedicht lesen, so würde sie, wenn sie es täte, mithin eine Liebeserklärung lesen - und es lässt Crampas eher befangen als rücksichtlos erscheinen, wenn er ihr diesen Sinn verschweigt.
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Sprung zum Absatz 36 des Romantextes
"Nein, es ist eigentlich kurz, etwas länger als 'Du hast Diamanten und Perlen' oder 'Deine weichen Lilienfinger' ..."
Die Heine-Gedichte "Du hast Diamanten und Perlen" und "Deine weichen Lilienfinger" aus dem "Buch der Lieder" (Die Heimkehr: 1823-1824) behandeln gleichfalls Liebesempfindungen von schicksalhafter Ausweglosigkeit und sind natürlich ebenso als Geständnisse von Cramaps an Effi zu verstehen.
Du hast Diamanten und Perlen,
Hast alles,was Menschenbegehr,
Und hast die schönsten Augen -
Mein Liebchen, was willst du mehr?
Auf deine schönen Augen
Hab' ich ein ganzes Heer
Von ewigen Liedern gedichtet -
Mein Liebchen, was willst du mehr?
Mit deinen schönen Augen
Hast du mich gequält so sehr,
Und hast mich zu Grunde gerichtet -
Mein Liebchen, was willst du mehr.
* * *
Deine weißen Lilienfinger,
Könnt' ich sie noch einmal küssen,
Und sie drücken an mein Herz,
Und vergehn in stillem Weinen!
Deine klaren Veilchenaugen
Schweben vor mir Tag und Nacht,
Und mich quält es: was bedeuten
Diese süßen, blauen Räthsel?
Benutzte Literatur: Pütz, Peter
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Sprung zum Absatz 40 des Romantextes
"Karl Stuart zum Beispiel trägt in einer dieser Romanzen seinen Kopf unterm Arm, und noch fataler ist die Geschichte vom Vitzliputzli ..."
Karl Stuart: die Romanze "Karl I." von Heinrich Heine aus dem ersten Buch des "Romanzero" (1851). - Karl I., 1649 hingericheter englischer König, nimmt hier an der Wiege eines Köhlerkindes seine Entmachtung und Hinrichtung in Gedanken vorweg.
Vitzlipuztli: längeres Heine-Gedicht aus dem ersten Buch des "Romanzero" (1851). Das Menschenopfer für den Gott Vitzliputzli im Jahre 1520, das Crampas für den Inhalt des Gedichtes ausgibt, stellt nur einen Teilaspekt dar. Eigentlich geht es um die Grausamkeit der Spanier bei der Eroberung von Mexiko und die Rache der Mexikaner.
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Sprung zum Absatz 55 des Romantextes
"... sie wisse nichts von Geschichte, mit Ausnahme der sechs Frauen von Heinrich dem Achten, diesem englischen Blaubart ..."
Blaubart: König aus einer französischen Märchensammlung des 17. Jahrhunderts, der seine Frauen eine nach der anderen ermordet, weil sie verbotenerweise das Zimmer betreten, in dem schon die Leichen der Vorgängerinnen liegen. Erst durch die letzte und siebente wird er überwunden. - Der englische König Heinrich VIII. (1491-1547), der sechsmal verheiratet war, ließ sich von zweien seiner Frauen scheiden und zwei hinrichten. Eine starb im Kindbett, die letzte wurde seine Witwe. Das Schicksal der hingerichteten Anne Boleyn (1507-1536), Mutter der späteren Königin Elisabeth, hat die Phantasie der Menschen dabei am meisten beschäftigt.
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Sprung zum Absatz 56 des Romantextes
"Nun also, an Don Pedro's Hofe war ein schöner, schwarzer spanischer Ritter ..."
Don Pedro: Hauptfigur des Heine-Gedichtes "Spanische Atriden" aus dem zweiten Buch des "Romanzero" (1851). Die Geschichte von Pedro dem Grausamen (1334-1369), der einen seiner Brüder wegen einer vermeintlichen Liebschaft zu seiner Frau köpfen lässt und sein Haupt dann durch dessen Hund auf die Tafel gelegt bekommt, stellt eine Verbindung von Liebe und Tod her, wie sie auch das Verhältnis von Crampas zu Effi bestimmt. Bei Heine wird allerdings auch Don Pedro bestraft, weil ein weiterer Bruder dann ihn umbringt und seine Kinder lebenslang einkerkert.
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Sprung zum Absatz 72 des Romantextes
"... so haben Sie vor, sich vor der Zeit auf den König von Thule hin auszuspielen." ... "Ich mag nicht als Reimwort auf Ihren König von Thule herumlaufen."
Anspielung auf Goethes Ballade "Der König in Thule" (1774) mit dem Reimwort 'Buhle', also Geliebte.
Es war ein König in Thule,
Gar treu bis an das Grab,
Dem sterbend seine Buhle
Einen goldnen Becher gab.
Es ging ihm nichts darüber,
Er leert' ihn jeden Schmaus;
Die Augen gingen ihm über,
So oft er trank daraus.
Und als er kam zu sterben,
Zählt' er seine Städt' im Reich,
Gönnt' alles seinem Erben,
Den Becher nicht zugleich.
Er saß beim Königsmahle,
Die Ritter um ihn her,
Auf hohem Vätersaale
Dort auf dem Schloß am Meer.
Dort stand der alte Zecher,
Trank letzte Lebensgluth
Und warf den heil'gen Becher
Hinunter in die Fluth.
Er sah ihn stürzen, trinken
Und sinken tief ins Meer.
Die Augen thäten ihm sinken,
Trank nie einen Tropfen mehr.
Bemerkenswert ist, dass auf dieses Gedicht nicht Crampas, sondern Effi hinweist, d.h. sie ist es, die über das von Crampas zurückbehaltene Glas die ihr zugedachte Rolle als seiner Geliebten erstmals offen anspricht.