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Sechsunddreißigstes Kapitel
So verging der Sommer, und die Sternschnuppennächte lagen schon zurück ...
Die zwischen dem 9. und 14. August vermehrt auftretenden Sternschnuppenschwärme werden nach dem Tag des heiligen Laurentius (10. August) auch "Laurenziregen" genannt.
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... das Laub im Parke zeigte schon viel Rot und Gelb, und seit den Äquinoktien, die drei Sturmtage gebracht hatten ...
Äquinoktien: Tagundnachtgleiche, hier der Herbstanfang am 23. September.
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Auf dem Rondell hatte sich eine kleine Veränderung vollzogen, die Sonnenuhr war fort, und an der Stelle, wo sie gestanden hatte, lag seit gestern eine weiße Marmorplatte, darauf stand nichts als »Effi Briest« und darunter ein Kreuz.
Ob eine Privatperson wie Effi um 1890 in Preußen noch auf dem Grundstück ihrer Eltern hätte bestattet werden können, muss bezweifelt werden. Zwar berichtet Fontane in seinen "Wanderungen durch die Mark Brandenburg" verschiedentlich von solchen privaten Grabanlagen, aber die sind allesamt älter und es sind keine Einzelgräber. Nach den preußischen Bestattungs-Vorschriften durften private Grabstätten auch nur genehmigt werden, wenn 'erhebliche Ursachen' dafür geltend gemacht werden konnten, und worin hätten die in diesem Falle bestehen können, wo ein Friedhof unmittelbar nebenan liegt? Außerdem mussten solche Grabstätten grundsätzlich für mehrere Personen angelegt werden, Einzelgräber wurden nur für Personen von großer öffentlicher Bedeutung genehmigt. Auch die letzte Vertreterin des historischen Geschlechtes der Briest, Caroline von Briest, verheiratete de la Motte Fouqué, wurde 1831 im Park von Nennhausen in einem Familiengrab beigesetzt.
Benutzte Literatur: Berner, Max
Sprung zum Absatz  des Romantextes Die Idee für das Einzelgrab ist Fontane aber wahrscheinlich doch durch einen Begräbnisplatz gekommen, den er selbst gesehen hatte, und zwar in Plaue an der Havel (bei Brandenburg). Wie er in "Fünf Schlösser" - Kapitel Plaue a.H. - erzählt, hatte dort der Grundbesitzer Carl Ferdinand Wiesike - nicht zufällig dürfte dies auch der Name des Arztes sein, der Effi in Hohen-Cremmen betreut - einen Park angelegt und 1865 darin für seine verstorbene Frau eine Grabstätte errichtet:
Ein etwa dreihundert Schritt langer Fliedergang führte zu einem großen, von einer Fliederhecke kreisförmig umstellten Rondeel: inmitten dieses Rondeels ein quadratisches Eisengitter und wiederum inmitten dieses Gitters ein Sockelbau mit einer Granitpyramide samt drei Grabstellen und einem Blumenbeet. Dies Blumenbeet in Front, ... an beiden Seiten des Obelisken aber die Medaillonportraits des Wiesike'schen Ehepaars: Carl Ferdinand Wiesike und Julie Wiesike, geb. Tannhäuser. Endlich, an der Rückfront, nicht Bild, nicht Portrait; wohl aber die Inschrift: "Wilhelmine Rolle; ihren langjährigen treuen Diensten zum Gedächtniß." Nur erst Julie Wiesike, geb. Tannhäuser, hatte von den genannten dreien ihre Grabstelle schon bezogen, wovon, außer dem eingravierten Todesdatum, auch der Efeuhügel Zeugnis gab. Die beiden andern ... freuten sich noch des himmlischen Lichts und traten täglich an die Stelle, wo sie, früher oder später, ebenfalls ihre Ruhestätte finden sollten.
Benutzte Literatur: Fontane, Theodor
Die Unterschiede zu dem Grab in "Effi Briest" sind aber doch nicht zu übersehen. Zum einen handelt es sich nicht um ein Einzelgrab, sondern um eine Grabstätte für mehrere, wie sie den Vorschriften nach nur genehmigt werden konnte, und es liegt der Platz auch etwas abseits und nicht inmitten des ständig begangenen Gartens. Wenn man es sich in dieser Form vorstellt - siehe unter ABBILDER die Aufnahme aus dem Film von 1968 -, so wirkt es auch etwas unbehaglich, beinahe schon geschmacklos, der Gedanke tut nicht gut, dass unter einem solchen Rondell jemand begraben liegt. Und natürlich hätte ein nüchterner Mann wie Briest auch bedacht haben sollen, dass jeder Nachbesitzer seines Hauses dieses Grab wohl beseitigen werde. So handelt es sich bei diesem Ausklang mehr nur um eine romantische Idee als um etwas, das man sich als tatsächlich ausgeführt vorstellen möchte.