"Und es liegt mir daran, daß er erfährt, wie
mir hier in meinen Krankheitstagen, die doch fast meine schönsten
gewesen sind, wie mir hier klar geworden, daß er in allem
recht gehandelt. ... Laß ihn das wissen, daß
ich in dieser Überzeugung gestorben bin. Es wird ihn trösten,
aufrichten, vielleicht versöhnen. Denn er hatte viel Gutes
in seiner Natur und war so edel, wie jemand sein kann, der ohne
rechte Liebe ist."
Beim Wort genommen stellt Effis Abschiedsrede alles infrage, was sie zumal
nach der Begegnung mit Annie Innstetten vorwirft, doch sicherlich
soll dies nicht auch der Sinn für den Leser sein. Vielmehr ist dieses
Verzeihen ein letztes Element ihrer Idealisierung - zum Schluss soll sie
auch noch ein Muster an Edelmut sein. Einem nüchternen Blick wird allerdings
nicht verborgen bleiben, dass Fontane dabei ein bisschen zu weit geht.
Denn für wen empfindet Effi selbst die 'rechte Liebe'? Oder was wäre die 'rechte
Liebe', für die man sich an ihr ein Beispiel nehmen könnte? Schon
ihr Vater (
Kap.5, Abs.30) sagt, sie gehöre nicht zu denen, "die so recht eigentlich
auf Liebe gestellt sind, wenigstens nicht auf das, was den Namen ehrlich verdient". Eigentlich
beansprucht sie immer nur geliebt zu werden oder zieht die Liebe anderer auf sich, von einem
Geben kann nicht die Rede sein. Fontane hätte sie diesen Satz also besser
nicht sprechen lassen, denn kritisch gemeint ist er in Bezug auf sie
gewiss nicht. Wie wenig Abstand er Effi gegenüber immer gehabt hat, sagt er
selbst in einem Brief an Paul Schlenther vom 11. November 1895:
Ich habe das Buch wie mit dem Psychographen geschrieben. Nachträglich,
beim Korrigieren, hat es mir viel Arbeit gemacht, beim ersten Entwurf gar
keine. Der alte Witz, daß man Mundstück sei, in das von irgendwoher
hineingetutet wird, hat doch was für sich, und das Durchdrungensein
davon läßt schließlich nur zwei Gefühle zurück:
Bescheidenheit und Dank.
Zum Entwurf dieser Geschichte 'wie mit dem Psychographen', also "ohne rechte
Überlegung und ohne alle Kritik", wie er an Hans Hertz am 2. März 1895
verdeutlicht, hat von Anfang an auch Effis früher Lebensverzicht gehört.
Indessen hat sich Fontane über das Sentimentale dieses Verzichtes vielleicht
selbst nicht ganz täuschen können. Grundsätzlich lebensbejahend eingestellt,
hat ihn der gegen seine Romanfigur zeugende Lebensweg und Lebensmut Elisabeth
von Ardennes immer irritiert und ihn einmal sogar - gegenüber einer Leserin am 12. Juni
1895 - zu der verräterischen Bemerkung veranlasst, sie läge vielleicht auch "lieber
auf dem Rondel in Hohen-Kremmen".