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Neuntes Kapitel
Sprung zum Absatz 17 des Romantextes
Arme Effi. Wie sollte sie den Abend verbringen?
Die Anrede einer Romanfigur durch den Autor gehört eigentlich einer älteren Romantradition an und galt dem Realismus als nicht mehr zeitgemäß. Friedrich Spielhagen hat in einem Aufsatz "Ueber Objektivetät im Roman" (Vermischte Schriften, 1864) jedes Hineinreden des Autors in die Vorstellungswelt seiner Figuren als nicht objektiv verworfen und damit eine allgemeine Tendenz der Romanentwicklung des 19. Jahrhunderts formuliert. Fontane war damit jedoch zunächst nicht einverstanden. Am 14. Januar 1879 schreibt er an Wilhelm Hertz:
... die Stelle, daß der Erzähler nicht mitsprechen darf, weil es gegen das 'epische Stilgesetz' sei, erscheint mir als reine Quackelei. Gerade die besten, berühmtesten, entzückensten Erzähler, besonders unter den Engländern, haben es immer gethan. Dies beständige Vorspringen des Puppenspielers in Person, hat für mich einen außerordentlichen Reiz und ist recht eigentlich das, was jene Ruhe und Behaglichkeit schafft, die sich beim Epischen einstellen soll. Die jetzt modische 'dramatische' Behandlung der Dinge hat zum Sensationellen geführt.
Von dieser Meinung kam Fontane im Wege seines Romanschaffens aber immer mehr ab und gab schließlich Spielhagen weitgehend Recht. Am 15. Februar 1896 schreibt er an ihn:
Das Hineinreden des Schriftstellers ist fast immer vom Uebel, mindestens überflüssig. Und was überflüssig ist, ist falsch. Allerdings wird es mitunter schwer festzustellen sein, wo das Hineinreden beginnt; der Schriftsteller muß doch auch, als er, eine Menge thun und sagen, sonst geht es eben nicht, oder wird Künstelei. Nur des Urtheilens, des Predigens, des klug- und weiseseins muß er sich enthalten. Vielleicht liegt es so wie mit Finanzfragen; nachdem man sich für Handelsfreiheit begeistert, erkennt man widerwillig, daß es ohne einen kleinen Schutzzoll nicht geht.
Das "Arme Effi", das sich auch am Schluss noch einmal findet (Kap.36, Abs.6), ist ein solcher kleiner Schutzzoll, der allerdings nur deutlich macht, was auch sonst offenkundig ist: dass Fontane Effi gegenüber nicht 'objektiv' sein will. Vielmehr, wie er an Colmar Grünhagen am 10. Oktober 1895 schreibt, hat er zu ihr und überhaupt zu seinen Frauenfiguren schon beinahe ein Liebesverhältnis:
Dies Natürliche hat es mir seit lange angetan, ich lege nur darauf Gewicht, fühle mich nur dadurch angezogen, und dies ist wohl der Grund, warum meine Frauengestalten alle einen Knacks weghaben. Gerade dadurch sind sie mir lieb, ich verliebe mich in sie, nicht um ihrer Tugenden, sondern um ihrer Menschlichkeiten, d.h. um ihrer Schwächen und Sünden willen ... Dies alles, um Cecile und Effi ein wenig zu erklären.
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"Und wenn ich mich recht frage ... ich mag es nicht sagen, Johanna ... aber ich glaube, der Chinese."
Auch mit dem Alptraum, den Effi infolge ihres ersten nächtlichen Alleinseins hat, beteiligt sich Fontane an der Spukgeschichte. Es scheint, als sei tatsächlich etwas vorgegangen, nur wird weder aufgeklärt was, noch lässt sich ein Grund für das Erscheinen des Chinesen erkennen. Effis Ängste lassen sich deshalb auch nicht als Einbildung abtun.