
Der Mai war schön, der Juni noch schöner, und Effi,
nachdem ein erstes schmerzliches Gefühl, das Rollo's Eintreffen
in ihr geweckt hatte, glücklich überwunden war, war
voll Freude, das treue Tier wieder um sich zu haben. Roswitha
wurde belobt, und der alte Briest erging sich, seiner Frau gegenüber,
in Worten der Anerkennung für Innstetten, der ein Kavalier
sei, nicht kleinlich, und immer das Herz auf dem rechten Fleck
gehabt habe. »Schade, daß die dumme Geschichte dazwischen fahren
mußte. Eigentlich war es doch ein Musterpaar.« Der
Einzige, der bei dem Wiedersehen ruhig blieb, war Rollo selbst,
weil er entweder kein Organ für Zeitmaß hatte oder
die Trennung als eine Unordnung ansah, die nun einfach wieder
behoben sei. Daß er alt geworden, wirkte wohl auch mit dabei.
Mit seinen Zärtlichkeiten blieb er sparsam, wie er beim Wiedersehen
sparsam mit seinen Freudenbezeugungen gewesen war, aber in seiner
Treue war er womöglich noch gewachsen. Er wich seiner Herrin
nicht von der Seite. Den Jagdhund behandelte er wohlwollend, aber
doch als ein Wesen auf niederer Stufe. Nachts lag er vor Effi's
Thür auf der Binsenmatte, morgens, wenn das Frühstück
im Freien genommen wurde, neben der Sonnenuhr, immer ruhig, immer
schläfrig, und nur wenn sich Effi vom Frühstückstisch
erhob und auf den Flur zuschritt und hier erst den Strohhut und
dann den Sonnenschirm vom Ständer nahm, kam ihm seine Jugend
wieder, und ohne sich darum zu kümmern, ob seine Kraft auf
eine große oder kleine Probe gestellt werden würde,
jagte er die Dorfstraße hinauf und wieder herunter und beruhigte
sich erst, wenn sie zwischen den ersten Feldern waren. Effi, der
freie Luft noch mehr galt, als landschaftliche Schönheit,
vermied die kleinen Waldpartieen und hielt meist die große,
zunächst von uralten Rüstern und dann, wo die Chaussee
begann, von Pappeln besetzte große Straße, die nach
der Bahnhofsstation führte, wohl eine Stunde Wegs. An allem
freute sie sich, atmete beglückt den Duft ein, der von den
Raps- und Kleefeldern herüber kam, oder folgte dem Aufsteigen
der Lerchen und zählte die Ziehbrunnen und Tröge, daran
das Vieh zur Tränke ging. Dabei klang ein leises Läuten
zu ihr herüber. Und dann war ihr zu Sinn, als müsse
sie die Augen schließen und in einem süßen Vergessen
hinübergehen. In Nähe der Station, hart an der Chaussee,
lag eine Chausseewalze. Das war ihr täglicher Rastplatz,
von dem aus sie das Treiben auf dem Bahndamm verfolgen konnte;
Züge kamen und gingen, und mitunter sah sie zwei Rauchfahnen,
die sich einen Augenblick wie deckten und dann nach links und
rechts hin wieder auseinandergingen, bis sie hinter Dorf und Wäldchen
verschwanden. Rollo saß dann neben ihr, an ihrem Frühstück
teilnehmend, und wenn er den letzten Bissen aufgefangen hatte,
fuhr er, wohl um sich dankbar zu bezeigen, irgendeine Ackerfurche
wie ein Rasender hinauf und hielt nur inne, wenn ein paar beim
Brüten gestörte Rebhühner dicht neben ihm aus einer
Nachbarfurche aufflogen.