
Ich war ausgestiegen, und eine Magd, die ans Tor kam,
bat uns einen Augenblick zu verziehen, Mamsell Lottchen
würde gleich kommen. Ich ging durch den Hof nach dem
wohlgebauten Hause, und da ich die vorliegenden Treppen
hinaufgestiegen war und in die Tür trat, fiel mir das
reizendste Schauspiel in die Augen, das ich je gesehen
habe. In dem Vorsaale wimmelten sechs Kinder von eilf
zu zwei Jahren um ein Mädchen von schöner Gestalt,
mittlerer Größe, die ein simples weißes Kleid,
mit blaßroten Schleifen an Arm und Brust, anhatte. Sie hielt ein
schwarzes Brot und schnitt ihren Kleinen rings herum
jedem sein Stück nach Proportion ihres Alters und Appetits ab,
gabs jedem mit solcher Freundlichkeit, und jedes
rief so ungekünstelt sein: Danke! indem es mit den kleinen
Händchen lange in die Höhe gereicht hatte, ehe es noch
abgeschnitten war, und nun mit seinem Abendbrote vergnügt,
entweder wegsprang, oder nach seinem stillern
Charakter gelassen davonging nach dem Hoftore zu, um
die Fremden und die Kutsche zu sehen, darin ihre Lotte
wegfahren sollte. - Ich bitte um Vergebung, sagte sie, daß
ich Sie herein bemühe und die Frauenzimmer warten
lasse. Über dem Anziehen und allerlei Bestellungen fürs
Haus in meiner Abwesenheit habe ich vergessen, meinen
Kindern ihr Vesperbrot zu geben, und sie wollen von
niemanden Brot geschnitten haben als von mir. - Ich
machte ihr ein unbedeutendes Kompliment, meine ganze
Seele ruhte auf der Gestalt, dem Tone, dem Betragen, und
ich hatte eben Zeit, mich von der Überraschung zu erholen,
als sie in die Stube lief, ihre Handschuhe und den
Fächer zu holen. Die Kleinen sahen mich in einiger
Entfernung so von der Seite an, und ich ging auf das jüngste
los, das ein Kind von der glücklichsten Gesichtsbildung
war. Es zog sich zurück, als eben Lotte zur Türe
herauskam und sagte: Louis, gib dem Herrn Vetter eine Hand.
Das tat der Knabe sehr freimütig, und ich konnte mich
nicht enthalten, ihn, ungeachtet seines kleinen Rotznäschens,
herzlich zu küssen. - Vetter? sagte ich, indem ich
ihr die Hand reichte, glauben Sie, daß ich des Glücks wert
sei, mit Ihnen verwandt zu sein? - O, sagte sie mit einem
leichtfertigen Lächeln: unsere Vetterschaft ist sehr
weitläufig, und es wäre mir leid, wenn Sie der schlimmste
drunter sein sollten. Im Gehen gab sie Sophien, der
ältesten Schwester nach ihr, einem Mädchen von ungefähr
eilf Jahren, den Auftrag, wohl auf die Kinder acht zu
haben, und den Papa zu grüßen, wenn er vom Spazierritte
nach Hause käme. Den Kleinen sagte sie, sie sollten ihrer
Schwester Sophie folgen, als wenn sies selber wäre, das
denn auch einige ausdrücklich versprachen. Eine kleine
naseweise Blondine aber, von ungefähr sechs Jahren,
sagte: Du bist's doch nicht, Lottchen, wir haben dich
doch lieber. - Die zwei ältesten Knaben waren hinten auf
die Kutsche geklettert, und auf mein Vorbitten erlaubte
sie ihnen, bis vor den Wald mitzufahren, wenn sie versprächen,
sich nicht zu necken, und sich recht fest zu halten.