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Am 15. September.
Dass der Fall der auf dem Pfarrhof gefällten Nussbäume einen realen Hintergrund hat, ergibt sich aus einer Äußerung des Fankfurter Verlegers Johann Konrad Deinet (1735-1797), der am 19. November 1774 an Friedrich Nicolai in Berlin schreibt:
Wer den Schlüssel zum Werther hat, erschrickt über manche Satyre, die sich bloss in Frankfurt erschliesst, und doch braucht man keinen Schlüssel, um das Ganze mit Vergnügen zu lesen. So ist der Brief vom 15. September im 2ten Theil die Geschichte eines hiesigen Pfarrhauses, das ich nun freylich nicht öffentlich sagen möchte.
Schon im 19. Jahrhundert hat man herausgefunden, dass unter den Frankfurter Pfarrhöfen dafür nur der Pfarrhof der St.-Peters-Kirche infrage kommt. Beim Umbau der Kirche im Jahre 1771 verhandelte die Stadt mit verschiedenen Handwerksmeistern, und dabei bot der Bildhauer Schnorr an, er wolle "die Bildhauerarbeit an der Orgel für 200 Gulden anfertigen unter der Bedingung, dass er das Holz auf dem Kirchhofe fällen darf".
Benutzte Literatur: Wolff, Carl und Rudolf Jung
Da Nussbaumholz für Bildhauerarbeiten ein bevorzugtes Holz war, könnte sich Werther - Goethe - also auf diesen Pfarrhof beziehen, auch zumal, weil die Abkürzung 'St ..' mit St. Peter korrespondiert und Goethe das Pfarrhaus gut kannte. Es lag direkt neben dem Haus und Garten seines Großvaters Textor an der Friedberger Gasse, und er war als Kind oft dort gewesen. - Der gesamte rechtliche Hintergrund mit einem Dorfschulzen, einer fürstlichen Kammer, dem Deputat der Dorfbewohner für den Pfarrer, dem Tod des 'alten Pfarrers' im Jahr davor usw. passt jedoch nach Frankfurt nicht. (Näheres siehe unter KULTURELLES)
Das Pfarrhaus von St. Peter in Frankfurt (Aufnahme von 1905. - Privatbesitz)

Eine weitere Verbindung zu diesem Pfarrhaus hat Ernst Beutler nachgewiesen. Pfarrer zu St. Peter war 1773 Conrad Caspar Griesbach, und dessen Frau gehörte dem pietistischen Zirkel der Susanne Margarethe von Klettenberg an, in dem auch Goethes Mutter verkehrte. In "Dichtung und Wahrheit" (12. Buch) schreibt Goethe über diesen Kreis und speziell diese Pfarrersfrau:
Frau Griesbach, die vorzüglichste, schien zu streng, zu trocken, zu gelehrt; sie wußte, dachte, umfaßte mehr als die anderen, die sich mit der Entwicklung ihres Gefühls begnügten, und war ihnen daher lästig, weil nicht jede einen so großen Apparat auf dem Wege zur Seligkeit mit sich führen konnte noch wollte.
Werthers Empörung lässt sich in diesem Urteil zwar kaum mehr erkennen, aber wenn man den Zeitabstand von 1812 bedenkt, lässt sich die Verbindung gut herstellen.
Benutzte Literatur: Beutler, Ernst
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