Goethe datiert Werthers Eintreffen in der 'Stadt' mit dem 4. Mai 1771
gegenüber seinem eigenen Aufenthalt in Wetzlar um ein Jahr zurück.
Das war nötig, um bis hin zu Werthers Selbstmord, für den das Jahr 1772
als das des Todes von Jerusalem nicht abgeändert werden sollte, eine
hinreichend lange Ereigniszeit zu gewinnen. Zugleich war aber auch Goethes eigener Zustand
keineswegs schon nach den vier Monaten seiner Wetzlarer Zeit so problematisch,
daß ihn die Tat Jerusalems wie eine ihn selbst angehende hätte berühren
können. Andere Erlebnisse mußten für diese Konstellation hinzukommen,
und nur das auch erklärt, warum zwischen seiner Abreise aus Wetzlar
und der Abfassung des Werther noch anderthalb Jahre vergingen. (Weiteres
siehe unter
ENTSTEHUNG)
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Mit dem ersten Brief entwirft Goethe einen ganzen Handlungszusammenhang:
Werther teilt seinem besten Freund mit, daß er froh ist, 'weg' zu sein.
Er hatte ein kompliziertes Verhältnis zu zwei Schwestern und benutzte die
Gelegenheit, für seine Mutter eine Erbschaftssache zu regeln, diesem zu
entkommen. Schon in diesem ersten Brief kann er jedoch mitteilen, daß sich
die Erbschaftssache klären wird, d.h. sein Auftrag ist bereits erfüllt.
Wenn er gleichwohl bleiben, ja sogar einen Garten pachten will, ist das
vielleicht ein bißchen unmotiviert, läßt aber eine große
Unabhängigkeit - auch materieller Art - sichtbar werden. Und zugleich macht diese
Ausgangssituation unvorhersehbare Erlebnisse aller Art möglich und kann
eine gewisse Neugier wecken, wie und wozu er seine Unabhängigkeit
gebrauchen wird.