[Vierter Teil]
"Nun lustig, Musikanten: den Papen von Istrup!" - Der beliebte Tanz ward gespielt ...
Über die Verbreitung dieses Tanzes, den Annette von Droste-Hülshoff auch in ihren 'Westfälischen Schilderungen' erwähnt, ist man schon
zur Zeit von deren Veröffentlichung in den "Historisch-politischen Blättern für das katholische Deutschland" (1845) unterschiedlicher
Meinung gewesen. In den "Berichtigungen eines Westfalen" die in derselben Zeitschrift 1846 erschienen, wird erklärt, der Tanz sei
"nur in Brakel als Nationaltanz, nicht bei Hochzeiten, sondern bei andern Festen üblich." Dennoch ist es trotz umfangreicher Nachforschungen,
die in den 1960er Jahren angestellt wurden, nicht gelungen, die Melodie dieses Tanzes noch zu ermitteln. Nur ein paar Verse des Textes sind überliefert.
Der 'Pfarrer von Istrup' (ein Ort bei Bad Driburg) wird darin verspottet, ein Trinker, Fress-Sack und Weiberheld zu sein.
~~~~~~~~~~~~
Er stand neben ihr, durchaus nicht wie der Bräutigam des Hohen Liedes, der 'in die Kammer tritt wie die Morgensonne'.
Das 'Hohe Lied' der Bibel enthält die angedeutete Stelle nicht, sondern sie stammt aus dem Psalter, Kapitel 19, in dem es von
Gottes Schöpfung heißt: "Er hat der Sonne ein Zelt am Himmel gemacht; sie geht heraus wie ein Bräutigam aus seiner
Kammer und freut sich wie ein Held, zu laufen ihre Bahn."
Die Tenne tobte von Gelächter; manche hatten sich auf den Hof nachgedrängt. - "Packt den Juden! Wiegt ihn gegen
ein Schwein!", riefen einige ...
Die Judenverachtung unter den Bauern wird - durchaus kritisch - auch in Haxthausens 'Geschichte eines Algierer-Sklaven' berührt.
Der Bauer, bei dem Hermann Winkelhannes Knecht war, habe zu diesem gesagt, er würde dem Juden lieber eins über den Kopf hauen, als
ihm den geforderten Geldbetrag zu bezahlen, es sei ja bloß ein Jude.
~~~~~~~~~~~~
"Kommt, wir wollen das Evangelium Johannis beten." Alles kniete nieder, und die Hausfrau begann: "Im Anfang war das Wort, und
das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort."
Die zitierte Stelle gibt wörtlich das Evangelium des Johannes, Kapitel 1, Vers 1 wieder. Das Gebet wurde besonders zur Abwehr von Gewittern
gesprochen.
~~~~~~~~~~~~
... die nachfolgende Untersuchung bewies, dass der Jude Aaron durch einen Schlag an die Schläfe mit einem stumpfen Instrumente,
wahrscheinlich einem Stabe, sein Leben verloren hatte, durch einen einzigen Schlag.
Die Schilderung in der 'Geschichte eines Algierer-Sklaven' ist wesentlich grausamer, insofern dort die Spuren eines längeren Kampfes registriert werden:
Er hatte siebzehn sichtbare Schläge mit einem Knüppel erhalten, aber keiner von sechsen, auf den Hirnschädel gefallenen, hatte
diesen zersprengt, ohngeachtet sie so vollwichtig gewesen, daß die Haut jedesmal abgequetscht war. Nur einer ins Genick und ein Paar in
die Rippen waren ihm tödtlich geworden. Die Haut in beiden Händen war abgeschält; (er hatte, wie sich später erwieß,
mehrmals krampfhaft den zackichten Prügel ergriffen, der Mörder ihm aber denselben mit aller Gewalt durch die Hände gerissen
daß die Haut daran geblieben).
Wenn die Kleinknechte zuvor berichten, sie hätten "ein Geklapper wie von aneinander geschlagenen Stöcken" im
Brederholz gehört (siehe
ABSATZ 9), ist der Kampf auch noch angedeutet. Es sollte aber
mit dem hier behaupteten Verlauf offenbar ein weniger schlechtes Licht auf Friedrich Mergel fallen. In der Ursprungs-Geschichte gibt der
Täter später auch noch an, er habe den Juden eigentlich nicht töten wollen, sei aber durch dessen Widerstand immer
wütender geworden, sodass er ihn, als am Boden lag, ganz bewusst totgeschlagen habe.
Als er am folgenden Tage nicht heimkehrte, war seine Frau sehr besorgt geworden und hatte sich endlich heute um drei nachmittags in
Begleitung ihres Knechtes und des großen Schlächterhundes auf den Weg gemacht.
Die Umstände der Auffindung des Juden gibt Annette von Droste-Hülshoff ziemlich genau nach dem Bericht August von Haxthausens wieder:
Zwei Tage drauf des Nachmittags kommt die Frau des Schutzjuden Pinnes den Hoxterschen Weg herunter ins Dorf, schreiend und heulend:
ihr Mann läge oben erschlagen im Heilgen Geist Holze; und während die Leute zusammenstehn und es besprechen und einige den
Weg heraufgehen, dem Holze zu, giebt sie es bei dem Gerichte an, und erzählt unter Schluchzen, als vorgestern ihr Mann nicht gekommen,
gestern nicht, und auch heute Morgen nicht, habe sie sich aufgemacht, um hier im Dorf zu fragen welchen Weg er genommen, und als sie durchs
Holz gekommen, sei auf einem Fleck viel Blut gelegen, und eine Spur davon habe ins nahe Gebüsch gewiesen, da sei sie neugierig gefolgt,
meinend ein todwundes Wild sei da vielleicht hineingekrochen, da sei es ein Mensch gewesen, und ihr Mann, und todt!
~~~~~~~~~~~~
... erschien am nächsten Morgen eine Anzahl der angesehensten Israeliten im Schlosse, um dem gnädigen Herrn einen Handel
anzutragen. Der Gegenstand war die Buche, unter der Aarons Stab gefunden ...
Auch in dem Bericht August von Haxthausens bitten die Juden den Gutsherren um die Erlaubnis, in den Baum eine Inschrift zu schlagen, nämlich
dass der Mörder, den ihr Gott finden werde, keines 'rechten Todes' sterben solle. Sie bieten dem Gutsherren auch Geld dafür an, doch
der erwidert nur: "Ach was, schreibt daran was ihr Lust habt, das thut dem Baum weiter nichts." - Der hohe Preis, den die Juden in der
Novelle für den Baum bezahlen, soll einerseits belegen, wie wichtig ihnen der Gedanke der Vergeltung ist, andererseits und mehr noch aber
die anhaltende Wirksamkeit der so ausgesprochenen Verdammung glaubhaft machen.
~~~~~~~~~~~~
"... Soeben schreibt mir der Präsident des Gerichtes zu P.: 'Le vrai n'est pas toujours vraisemblable' ..."
'Die Wahrheit ist nicht immer wahrscheinlich' - ein Wort des französischen Schriftstellers Nicolas Boileau (1636-1711), den
Annette von Droste-Hülshoff selbst gelesen hat.
Einen Brief mit einer solchen entlastenden Vermutung gibt es in der Haxthausen-Geschichte nicht, wohl aber spielt ein anderer Brief
in ihr eine wichtige Rolle. Sechs Jahre nach dem Verschwinden des Winkelhannes erreichte den Fürstbischof von Paderborn ein
Schreiben, in dem der Geflohene selbst sich aus der Sklaverei in Algerien meldete und darum bat, freigekauft zu werden. Dass Annette von
Droste-Hülshoff von dieser Episode keinen Gebrauch gemacht hat, ist nicht schwer zu verstehen. Es hätte den Schicksalsweg
Friedrich Mergels zurück zum Ort seiner Tat zu sehr unterbrochen. Die gesamte Zeit seiner Abwesenheit wird deshalb ja auch nur
in wenigen Sätzen berührt.