[Dritter Teil]
Als einer nach dem andern im Dickicht verschwunden war, trat Brandis dicht vor den Knaben: "Friedrich", sagte er mit dem Ton
unterdrückter Wut, "meine Geduld ist zu Ende." ... Friedrich griff krampfhaft nach einem Aste. Er war totenbleich ...
Der kurze Wortwechsel scheint die Erregung, die er auslöst, kaum zu rechtfertigen. Aus den handschriftlichen Entwürfen der Novelle ergibt sich,
dass hier zunächst eine umfangreichere Auseinandersetzung mit gegenseitigen familiären Vorwürfen geplant war. Aus dem verbliebenen Rest
lässt sich nur wiederum Friedrich Mergels Empfindlichkeit gegen jede Art der Herabsetzung ableiten. Von Brandis als 'Lumpenpack' bezeichnet, "dem
kein Ziegel auf dem Dach gehört", kann er sich kaum beherrschen, den Förster nicht niederzuschlagen.
~~~~~~~~~~~~
Friedrichs Gesicht hatte während dieses allmählichen Verschwindens den Ausdruck seiner Kälte verloren, und seine
Züge schienen zuletzt unruhig bewegt. Gereute es ihn vielleicht, den Förster nicht um Verschweigung seiner Angaben gebeten zu haben?
In dieser Frage liegt wiederum eine bewusste Irreführung des Lesers vor. Die Erzählerin weiß natürlich, dass Friedrich
nicht beunruhigt ist, weil er Brandis zu bitten versäumt hat,
seinen Hinweis auf die Blaukittel zu verschweigen, sondern weil er ahnt, dass er den Förster vielleicht in den Tod schickt. Um zu verstehen, wie das
möglich ist, muss man sich die Situation folgendermaßen verdeutlichen:

1. Friedrich Mergel hat für die Blaukittel Wache gestanden und sie mit seinem Pfiff gewarnt; wahrscheinlich hat ein zweiter oder dritter
Wächter seinen Pfiff bis zum Platz der Holzfäller weitergegeben.

2. Er hat gesehen, dass die Forstleute den Weg dorthin eingeschlagen haben, weiß aber, dass sie die Blaukittel am Holzplatz nicht mehr
vorfinden werden.

3. Er kennt den Weg, auf dem die Blaukittel sich zurückziehen und schickt Brandis in diese Richtung. Er nimmt in Kauf oder erwartet sogar, dass
sie mit Brandis kurzen Prozess machen werden, wenn er im Wald auf sie trifft.
Wie man sich diese Konstellation räumlich vorstellen kann, zeigt die Karte unter
SCHAUPLÄTZE.
~~~~~~~~~~~~
Aus der Kammer drang ein schweres Stöhnen. Margreth eilte hin, und der Schreiber folgte ihr. Friedrich saß aufrecht im Bette,
das Gesicht in die Hände gedrückt und ächzte wie ein Sterbender.
Das schlechte Gewissen, das Friedrich sogar körperlich leiden lässt, zeigt zwar, dass er noch nicht ganz abgestumpft ist, bestätigt aber
auch seine Mitschuld am Tod des Försters.
~~~~~~~~~~~~
Denjenigen, die vielleicht auf den Ausgang dieser Begebenheit gespannt sind, muss ich sagen, dass diese Geschichte nie aufgeklärt wurde ... Es
würde in einer erdichteten Geschichte unrecht sein, die Neugier des Lesers so zu täuschen. Aber dies alles hat sich wirklich zugetragen; ich
kann nichts davon oder dazu tun.
Die hier behauptete Unklarheit über das Vorgefallene läuft auch wiederum auf eine Irreführung des Lesers hinaus. Die Erzählerin
müsste natürlich aus den Indizien, die sie selbst angesammelt hat, den Schluss ziehen, dass Simon Semmler (oder einer seiner Leute)
den Förster erschlagen hat, auch wenn die amtliche Untersuchung so weit nicht kommt. Dass sie erklärt, sie könne
nur berichten, was sich 'wirklich zugetragen' habe, steht in deutlichem Kontrast zu ihrem Wissen z.B. von dem Gespräch zwischen Friedrich und
Brandis, das ohne Zeugen stattgefunden hat und dann von ihr gar nicht mitgeteilt werden könnte. Auch hier liegt also wieder eine 'unzuverlässige'
Erzähler-Aussage vor.
~~~~~~~~~~~~
"Wo ist Eure Axt?" - "Meine Axt? Auf der Tenne." - "Habt Ihr einen neuen Stiel hineingemacht? Wo ist der alte?"
Die Unterscheidung von Axt und Stil ist - vermutlich unabsichtlich - auch wiederum irreführend. Das 'corpus delicti' ist die Axt, nicht bloß der
Stiel, auch wenn er wahrscheinlich bestimmtere Merkmale aufweist als der Eisenkeil. Simon Semmler müsste sich also eine neue Axt besorgt haben,
wenn ihm seine alte als Mordwerkzeug abhanden gekommen ist, nicht bloß für den alten Keil einen neuen Stiel.
~~~~~~~~~~~~
Und in Friedrich lagen Eigenschaften, die dies nur zu sehr erleichterten: Leichtsinn, Erregbarkeit und vor allem ein grenzenloser Hochmut ...
Noch einmal werden hier die Wesensmerkmale genannt, die Friedrich gänzlich unter den schlechten Einfluss seines Onkels geraten lassen. Dass sie ihm
als Schuld anzurechnen sind, kann nach seinem Verzicht auf die Beichte allerdings keine Frage sein.