Obwohl die "Judenbuche" bei den Fortsetzungs-Abdrucken im Cotta'schen 'Morgenblatt' und im 'Westfälischen Anzeiger' nicht unbeachtet
geblieben war, dauerte es volle vier Jahrzehnte, bevor sie erstmals als eigenes Buch erschien. Zunächst druckte
Levin Schücking sie 1859 in der Nachlass-Ausgabe der "Letzten Gaben" wiederum ab, dann wurde sie
1876 in den 'Neuen deutschen Novellenschatz' von Paul Heyse mit aufgenommen, und schließlich war sie 1879 in der dreibändigen
Ausgabe der "Gesammelten Schriften der Annette Freiin von Droste-Hülshoff" bei Cotta noch enthalten.
Erst 1882 aber brachte die Aschendorff'sche Buchhandlung in Münster sie als Einzeldruck heraus, so wenig hat man sich einen Verkaufserfolg
bis dahin anscheinend von ihr versprochen.
|
|
Die erste separate Ausgabe der Novelle
|
Danach nahm die Popularität des Werkes aber rasch zu. Bis 1900 gab es bereits fünf weitere Einzelausgaben, darunter 1884 die Ausgabe
in Reclams Universalbibliothek, die es allein bis 1968 auf über 5 Millionen Exemplare brachte.
|
|
Eine Reclam-Ausgabe mit Titelbild
|
Unter den mehr als 150 Ausgaben, die von der Judenbuche schon 1972 gezählt wurden, enthalten über 30 auch Illustrationen, und es handelt
sich dabei keineswegs nur um anspruchslose Strichzeichnungen. Schon die erste illustrierte Ausgabe, erschienen 1907 im Schaffstein-Verlag Köln,
wandte sich mit ihrer Jugendstil-Ausstattung an Buchliebhaber, und in den 1920er Jahren kamen fast Jahr um Jahr weitere Ausgaben
mit aufwendigem Buchschmuck hinzu. Aus insgesamt achtzehn solcher Ausgaben werden nachfolgend Beispiele gegeben, teils um die Breite der
Darstellungsweisen aufzuzeigen, noch mehr aber, um den Gang der Handlung so sichtbar zu machen.
Trotz der sehr unterschiedlichen Auffassungen des Geschehens durch die Künstler und der noch unterschiedlicheren Darstellungsformen ist
festzustellen, dass es nur selten zu Widersprüchen zu den Erzähleindrücken kommt. Das hat zwei Gründe. Der erste: die
Hauptereignisse - die Durchführung der Holzdiebstähle, die Ermordung und Auffindung des Försters wie des Juden, die Flucht Friedrich
Mergels - werden gar nicht geschildert, sondern es wird von ihnen nur berichtet oder sie müssen erschlossen werden. Details zu ihnen
liefert die Erzählung also kaum, das meiste bleibt der Fantasie überlassen. Bildliche Darstellungen von diesen Momenten sind der
Überprüfung durch den Text also erst gar nicht ausgesetzt.
Der zweite Grund: auch die in der Novelle direkt geschilderten Situationen enthalten vergleichsweise wenig gegenständliche und somit abbildbare
Elemente. Eine weit größere Rolle spielen Geräusche, Stimmungen, Empfindungen, sofern nicht auch hier die berichtenden oder
bewertenden Textpartien überwiegen. Das Abbilden dieser Situationen kann also ebenfalls zu dem Text so leicht nicht in Widerspruch geraten,
außer dass die Stimmung der geschilderten Momente nicht getroffen erscheint.
Der didaktische Nutzen der Bilder dürfte deshalb hauptsächlich darin liegen, beurteilen zu lassen, wie gut die
Atmosphäre der berührten Situationen darin erfasst ist. Hinweise dazu sind den Bildern von Abschnitt zu Abschnitt
vorangestellt.
Übersetzt worden ist die 'Judenbuche' nicht so oft, bei weitem weniger jedenfalls als die Novellen Theodor Storms oder Gottfried Kellers. 1993
jedoch wurde der Stoff von dem Komponisten Walter Steffen (geboren 1934 in Aachen) vertont. Das "Musikalische Volksdrama in
zehn Bildern" legt das Hauptgewicht auf Friedrich Mergels gesellschaftliche Randstellung sowie einiger auf ihn einwirkender
unglücklicher Umstände. Die Musik wurde gelobt, das Geschehen bleibt in dieser Bearbeitung aber eigentlich unverständlich.
|
|
Das Programmheft zur Oper von 1993
|
Mit großer Umsicht aufbereitet hat den Stoff der Fernsehfilm von 1980, nur dass das Resultat - eben deswegen - leider etwas bedrückend
ist. Der Film wird am Ende dieser Ebene, unter den Bildern des fünften Teils, vorgestellt und mit einem kurzen Szenenausschnitt dokumentiert. 
Die Zeichnung von Lange-Brock gibt den nächtlichen Waldfrevel zutreffend wider, wenn auch die gezeigten Nadelbäume
sachlich falsch sind. - Die beiden Trinker-Bilder zeigen gut den Unterschied zwischen einer angemessenen und einer
unangemessenen Darstellung. Die Zeichnung von Müller-Pöhl drückt die ganze Verwahrlosung des alten Mergel aus, die von
André könnte für jeden Trinker-Witz verwendet werden.
Die Skizze Blischs wirkt zwar milieugerecht, zeigt Friedrich Mergels Mutter aber viel zu alt, ganz im Unterschied zu der Radierung von Heinrich
Nauen, die in den Gesichtern von Mutter und Sohn das ganze Elend dieser Existenzen zum Ausdruck bringt. Die beiden Handlungs-Bilder zeigen
Situationen, die in der Novelle nur angedeutet sind, treffen beide das Düstere des Geschehens aber ganz richtig.
![]() |
|
Zeichnung von August Lange-Brock (1948)
|
![]() |
|
Zeichnung von Erika Müller-Pöhl (1978)
|
![]() |
|
Zeichnung von Rudolf André (1913)
|
![]() |
|
Zeichnung von K. J. Blisch (1949)
|
![]() |
|
Holzschnitt von Heiner Vogel (1964)
|
![]() |
|
Zeichnung von Bernd Steiner (1923)
|
![]() |
|
Radierung von Heinrich Nauen (1923)
|
Das Farbbild von Otto Ubbelohde, der eigentlich Maler war, lässt eher auf eine Heimatgeschichte als auf die 'Judenbuche' schließen,
und auch in der Miniaturzeichnung von Sigrid Schloemp nimmt man die Verhältnisse der Novelle nicht wahr. Weder traut man diesem Simon
Semmler zu, Anführer einer Holzfäller-Bande zu sein, noch sieht die junge Frau wie die abgehärmte Mutter Friedrich Mergels aus.
In der Zeichnung Max Unolds jedoch ist der unheilvolle Weg Friedrichs auf den Spuren des Onkels nachvollziehbar, und auch die Zeichnung Blischs
passt atmosphärisch zu der Szene in der Küche, wo sich der vernachlässigte Johannes Niemand am Herdfeuer wärmt. - Viel zu harmlos
hingegen wirkt die Darstelllung von Probst, in der weder das dunkle Brederholz noch der schaurige Totenort wahrzunehmen sind.
![]() |
|
Zeichnung von Otto Ubbelohde (1907)
|
![]() |
|
Zeichnung von Sigrid Schloemp (1958)
|
![]() |
|
Zeichnung von Max Unold (1919)
|
![]() |
|
Zeichnung von Willi Probst (1952)
|
![]() |
|
Zeichnung von K. J. Blisch (1949)
|
Die Zeichnung von Alfred Kubin, die nur eine Mitteilung der Novelle aufnimmt, ist eher geeignet, das Mitgeteilte in Zweifel zu ziehen als es
zu beglaubigen - zwei Meilen sind immerhin 15 Kilometer! Der Holzschnitt von Heiner Vogel hingegen macht den Waldfrevel durch den
Baumstumpf im Vordergrund und das drohende Naturbild dahinter eindringlich sichtbar. Der Holzschnitt von Karl Sigrist zeigt den Wache
haltenden Friedrich Mergel im Stil einer Waldbauernbub-Geschichte und damit weit weniger richtig als die Szenenbilder von Mühlmeister und
Steiner. Besonders in dem Farbbild kommt das schlechte Gewissen Friedrichs gut zum Ausdruck.
Die beiden Zeichnungen von Willi Probst geben die Stimmung der betreffenden Szenen vielleicht etwas zu freundlich wieder, obschon das
Gegenüber von Misstrauen und Verstellung auch hier zu erkennen ist. Atmosphärisch treffender sind aber die Zeichnungen von
August Lange-Brock und Hans Fronius. Die eine, weil sie dem Verhör der Bauern auch einen komischen
Zug abgewinnt, die andere, weil sie in der gespenstischen Erscheinung Simon Semmlers genau die der Szene entsprechende Mischung von Bosheit,
Vorwurf und schlechtem Gewissen zum Ausdruck bringt. Im Vergleich dazu sieht der Mann in der colorierten Zeichnung von Hugo Wilkens nur
wie ein Trottel aus.
![]() |
|
Zeichnung von Alfred Kubin (1925)
|
![]() |
|
Holzschnitt von Heiner Vogel (1964)
|
![]() |
|
Holzschnitt von Karl Sigrist (1923)
|
![]() |
|
Zeichnung von Karl Mühlmeister (1924)
|
![]() |
|
Zeichnung von Bernd Steiner (1923)
|
![]() |
|
Zeichnung von Willi Probst (1952)
|
![]() |
|
Zeichnung von August Lange-Brock (1948)
|
![]() |
|
Zeichnung von Willi Probst (1952)
|
![]() |
|
Zeichnung von Hans Fronius (1962)
|
![]() |
|
Zeichnung von Hugo Wilkens (1921)
|
Die Farbzeichnung von Bernd Steiner nimmt das Festgeschehen mit demselben Abstand wahr wie die Novelle, während die Verbeugung
Friedrich Mergels vor dem Gutsherren von Kubin nach der falschen Seite hin übertrieben wird, weil er ja weniger demütig als hochmütig
auftritt. In der Miniaturzeichnung von Sigrid Schloemp ist der 'erste Elegant' des Festes richtiger dargestellt.
Der Jude Aaron in der Radierung von Heinrich Nauen ist unverkennbar antisemitisch angelegt. Das ist kein 'Schlächter und Althändler'
aus einer Kleinstadt des 18. Jahrhunderts, sondern ein jüdischer Anwalt oder Juwelier der 1920er Jahre, wie sie im
SA-Kampfblatt 'Der Stürmer' portraitiert zu werden pflegten. Die Zeichnung von Willi Probst trifft die von der Novelle gemeinte
Figur viel besser.
Weder der Gang von Aarons Frau zum Haus des Gutsherren noch ihre Anwesenheit dort kommen so, wie in den Illustrationen von Vogel und
Wilkens dargestellt, in der Novelle vor. Der Holzschnitt zeigt den Schmerz der Frau aber wesentlich eindrucksvoller als die Farbzeichnung. -
Rudolf André betont mit dem hochgehaltenen Zettel den Aspekt der Kriminalgeschichte, während Hans Fronius aus einem nur nachträglich
mitgeteilten Schreck einen dramatischen Augenblick der Geschichte selbst macht. Der Holzschnitt von Hans Pape ist eine gelungene Verbildlichung
des Zuges der Juden durch das Brederholz.
![]() |
|
Zeichnung von Bernd Steiner (1923)
|
![]() |
|
Zeichnung von Alfred Kubin (1923)
|
![]() |
|
Zeichnung von Sigrid Schloemp (1958)
|
![]() |
|
Lithographie von Heinrich Nauen (1923)
|
![]() |
|
Zeichnung von Willi Probst (1952)
|
![]() |
|
Holzschnitt von Heiner Vogel (1964)
|
![]() |
|
Zeichnung von Hugo Wilkens (1921)
|
![]() |
|
Zeichnung von Rudolf André (1913)
|
![]() |
|
Zeichnung von Hans Fronius (1962)
|
![]() |
|
Holzschnitt von Hans Pape (1955)
|
In seinem an Caspar David Friedrich erinnernden Bild fasst Otto Ubbelohde die Situation des heimkehrenden Friedrich Mergel eindrucksvoll
zusammen: der sich stützende Mann, das Kruzifix als Symbol christlicher Reue und das verschneit liegende Dorf, auf das er sich zubewegt. In
der Zeichnung von Rudolf André kommt das weniger gut zum Ausdruck. Die Lichter in den Fenstern lassen den Knienden eher wie
einen Verbannten aussehen, und gebrechlich sieht er auch nicht aus. Noch verkehrter allerdings macht Erika Müller-Pöhl ihn
fast zu einem Racheengel.
Der Besuch beim Gutsherren in der Zeichnung von Sigrid Schloemp zeigt Friedrich Mergel ebenfalls viel zu aufrecht, wohingegen in der
Zeichnung von Hugo Feldtmann das Zerstörte seines Wesens einigermaßen richtig zum Ausdruck kommt. Unter den
Schlussbildern ist das von Lange-Brock zwar nicht das effektvollste, aber das einzige, das den Erhängten zusammen mit der Inschrift an der
Buche zeigt. Aus allen Bildern hintereinander sollte so eine komplette Inhaltsangabe der 'Judenbuche' abzuleiten sein.
![]() |
|
Zeichnung von Otto Ubbelohde (1907)
|
![]() |
|
Zeichnung von Rudolf André (1913)
|
![]() |
|
Zeichnung von Erika Müller-Pöhl (1978)
|
![]() |
|
Zeichnung von Sigrid Schloemp (1958)
|
![]() |
|
Zeichnung von Hugo Feldtmann (1946)
|
![]() |
|
Zeichnung von August Lange-Brock (1948)
|

1980 wurde die 'Judenbuche' im Auftrag des Bayrischen Rundfunks verfilmt. Regie führte - nach eigenem Drehbuch - Rainer Horbelt (1944-2001), ein
durch zahlreiche Fernseharbeiten und eigene Veröffentlichungen ausgewiesener Autor. Der Film nimmt sich der Novelle sehr genau und sehr
sorgfältig an, genau in der Wiedergabe der Handlung und sorgfältig besonders in der Ausstattung. In Zusammenarbeit mit Landesmuseen,
Vereinen für Brauchtumspflege, historischen Bauernhöfen usw. ist ein Film entstanden, der hinsichtlich des Kolorits nichts zu wünschen
übrig lässt. Selbst wie man Brot gebacken hat und oder wie es um die Rechte der Juden bestellt war, wird gezeigt bzw. dargelegt, manches
wirkt wie eine Dokumentation zum westfälischen Landleben im 18. Jahrhundert.
Darin liegt allerdings auch ein Problem. Die Kriminalgeschichte wird über diese teilweise auch bedrückende Milieuschilderung fast zur Nebensache,
zumal sie sowieso von vornherein durchschaubar angelegt ist. Von Geheimnis oder gar von Spuk keine Spur, alles ist sozial verursacht. Für
zusätzlichen Abstand sorgt die Einbettung der Handlung in ein Rahmengeschehen, in dem Annette von Droste-Hülshoff dem sie im Rüschhaus
besuchenden Levin Schücking (siehe unter ENTSTEHUNG) die Novelle vorliest und auch über ihre
dichterischen Absichten mit ihm spricht.
Alles in allem zeigt sich, dass die Handlung der 'Judenbuche' dem Regisseur nicht ausgereicht hat und wohl wirklich für einen Film von üblicher
Länge nicht ausreicht. Dann wäre es allerdings besser gewesen, die Geschichte kurz zu halten, anstatt sie - wie hier - über 1¾
Stunden zu dehnen und Langeweile zu erzeugen.
![]() |
|
Annette von Droste-Hülshoff als Vorleserin (Christiane Lemm, geboren 1953)
|
![]() |
|
Der junge Friedrich Mergel
|
![]() |
|
Barbara Morawiecz (geboren 1938) als Friedrichs Mutter Margaret Mergel
|
![]() |
|
Der junge Johannes Niemand
|
![]() |
|
Eberhard Feik (1943-1994) als Simon Semmler
|
![]() |
|
Roland Teubner als Friedrich Mergel
|
![]() |
|
Joachim Tennstedt (geboren 1950) als Johannes Niemand
|
![]() |
|
Diether Krebs (1947-2000) als Förster Brandis
|
![]() |
|
Franz Lichtenhahn (geboren 1932) als Dorfschulze Kapp
|
![]() |
|
Harry Raymon (geboren 1926) als Jude Aaron mit dem zahlungsunfähigen Friedrich
|
![]() |
|
Die Juden an der Buche
|
![]() |
|
Die Inschrift an der Buche (zwischen den älteren Gravuren von Liebespaaren kaum zu erkennen)
|
![]() |
|
Franz Rudnick (1931-2005) als Freiherr von Haxthausen
|
![]() |
|
Der heimgekehrte Friedrich Mergel
|
