Die Lebenswelt Zur Übersicht Zur Synopse Zur Einzelebene Druck
[Achter Teil]
Sprung zur Textstelle ... dass der sächsischerseits an ihn erlassene Bericht die Sache des Kohlhaas zu einer Angelegenheit gesamten Heiligen Römischen Reichs gemacht hätte ...
Heiliges Römisches Reich = Das deutsche Kaiserreich verstand sich als Nachfolger des Römischen Reichs und nannte sich 'heilig' wegen der Einsetzung des Kaisers durch den Papst. Vom 15. Jahrhundert an hieß es "Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation", löste sich durch die Eroberungen Napoleons 1806 als Staatenbund aber auf.
Sprung zur Textstelle ... dass er sonst nicht, und wäre sie auch die römische Sibylle selbst, an ihre Worte glauben könne ...
römische Sibylle = Weissagerin in der Antike.
Sprung zur Textstelle '... Dreierlei schreib ich dir auf, den Namen des letzten Regenten deines Hauses, die Jahreszahl, da er sein Reich verlieren und den Namen dessen, der es durch die Gewalt der Waffen an sich reißen wird.'
Da der zur Zeit der Kohlhaas-Handlung regierende Kurfürst Johann Friedrich der Großmütige (1503-1554) im Jahre 1547 auf seine Kurwürde verzichten musste (er hatte als Anführer des Schmalkaldischen Bundes gegen Kaiser Karl V. die Schlacht von Mühlberg verloren und wurde als Protestant geächtet), dürfte sich der Zettel auf diese seine Zukunft und damit das Ende der ernestinischen Linie beziehen. Den Sieg über ihn trug als Parteigänger des Kaisers sein Vetter Moritz von Sachsen (1521-1553) davon, mit dem er schon zuvor in Gebietsstreitigkeiten gelegen hatte. Auch die Kurwürde ging auf Moritz von Sachsen und damit die albertinische Linie über. Moritz' jüngerer Bruder August (1526-1586) baute Dresden zur sächsischen Residenzstadt aus.
Die weitläufigen Vermutungen, die es in der Fachliteratur über möglicherweise ganz andere Inhalte dieses Zettels gibt, nämlich dass die Prophezeiung wegen der Residenzstadt Dresden vielleicht auf die albertinische Linie bezogen sei, von deren Ende Kleist noch gar nichts wissen konnte usw., gehen in die Irre. Da dem Kurfürsten von der Zigeunerin nichts Gutes verkündet werden kann, muss sich die Prophezeiung auf eine baldige Veränderung beziehen, und hier kam für Kleist und seine Leser nur die Absetzung des Kurfürsten Johann Friedrich im Jahre 1547 infrage.
Benutzte Literatur: Lützeler, H.v.K. Michael Kohlhaas, In:
				  Interpretationen (Reclam) - Erzählungen und Novellen des 19. Jahrhunderts, Bd. 1, 1988.
Sprung zur Textstelle Nun traf es sich, dass der Kämmerer mehrerer beträchtlichen Güter wegen, die seiner Frau ... in der Neumark zugefallen waren ...
Neumark = die spätere, 'neue' Mark Brandenburg rechts der Oder bis zur Warthe.
~~~~~~~~~~~~
Sprung zur Textstelle ... verurteilt ward, mit dem Schwerte vom Leben zum Tode gebracht zu werden, ein Urteil, an dessen Vollstreckung ..., seiner Milde ungeachtet, niemand glaubte ...
Dass die Enthauptung hier als 'mildes Urteil' bezeichnet wird, erklärt sich aus den furchtbaren Torturen, die mit andere Hinrichtungsarten einhergehen konnten.
~~~~~~~~~~~~
Sprung zur Textstelle ... und vielleicht die Krone Polen, mit welcher die Verhältnisse immer noch sehr kriegerisch waren, damit gemeint sei ...
Verbindungen zwischen Sachsen und Polen ergaben sich erst anderthalb Jahrhunderte später.
Sprung zur Textstelle ... und der Hinrichtungstag bereits auf den Montag nach Palmarum festgesetzt sei ...
Palmarum = Palmsonntag, der Sonntag vor Ostern, fiel im Jahr 1540 auf den 21. März.
Sprung zur Textstelle Ja, er hatte noch die Genugtuung, den Theologen Jakob Freising, als einen Abgesandten Doktor Luthers, mit einem eigenhändigen, ohne Zweifel sehr merkwürdigen Brief, der aber verloren gegangen ist, in sein Gefängnis treten zu sehen ...
Ein weiterer solcher Brief existiert nicht, Kleist will hier offenbar eine nachträgliche Rehabilitierung Kohlhaasens durch Luther andeuten.
Sprung zur Textstelle ... und während die Träger sie aufhoben, um sie anständig auf den Kirchhof der Vorstadt zu begraben ...
Mit dem 'anständigen Begräbnis', das Kohlhaas hier zuteil wird, erweist man ihm noch einmal eine Ehre, da Hingerichtete oft nicht auf dem Kirchhof beigesetzt, sondern unehrenhaft auf dem Galgenberg oder dem Schindanger begraben wurden.