
Innstetten war Beamter genug, um den Brief von 'Exzellenz'
zuerst zu erbrechen. »Mein lieber Innstetten! Ich freue mich,
Ihnen mitteilen zu können, dass Seine Majestät
Ihre Ernennung zu unterzeichnen geruht haben und gratuliere Ihnen
aufrichtig dazu.« Innstetten war erfreut über die liebenswürdigen
Zeilen des Ministers, fast mehr als über die Ernennung selbst.
Denn was das Höherhinaufklimmen auf der Leiter anging, so
war er seit dem Morgen in Kessin, wo Crampas mit einem Blick,
den er immer vor Augen hatte, Abschied von ihm genommen, etwas
kritisch gegen derlei Dinge geworden. Er maß seitdem mit
anderem Maße, sah alles anders an. Auszeichnung, was war
es am Ende? Mehr als einmal hatte er während der ihm immer
freudloser dahin fließenden Tage einer halb vergessenen Ministerialanekdote
aus den Zeiten des älteren Ladenberg her gedenken müssen,
der, als er nach langem Warten den roten Adlerorden empfing, ihn
wütend und mit dem Ausrufe beiseite warf: »Da liege,
bis du
schwarz wirst.« Wahrscheinlich war er dann
hinterher auch »schwarz« geworden, aber um viele Tage
zu spät und sicherlich ohne rechte Befriedigung für
den Empfänger. Alles, was uns Freude machen soll, ist an Zeit und Umstände
gebunden, und was uns heute noch beglückt, ist morgen wertlos.
Innstetten empfand das tief, und so gewiss ihm an Ehren und
Gunstbezeugungen von oberster Stelle her lag, wenigstens gelegen
hatte, so gewiss stand ihm jetzt fest, es käme
bei dem glänzenden Schein der Dinge nicht viel heraus, und
das, was man 'das Glück' nenne, wenn's überhaupt
existiere, sei was anderes als dieser Schein. »Das Glück,
wenn mir recht ist, liegt in zweierlei: darin, dass man ganz
da steht, wo man hingehört (aber welcher Beamte kann das
von sich sagen), und zum Zweiten und Besten in einem behaglichen
Abwickeln des ganz Alltäglichen, also darin, dass man
ausgeschlafen hat und dass einen die neuen Stiefel nicht drücken.
Wenn einem die 720 Minuten eines zwölfstündigen Tages
ohne besonderen Ärger vergehen, so lässt sich von
einem glücklichen Tage sprechen.« In einer Stimmung,
die derlei schmerzlichen Betrachtungen nachhing, war Innstetten
auch heute wieder. Er nahm nun den zweiten Brief. Als er ihn gelesen,
fuhr er über seine Stirn und empfand schmerzlich,
dass
es ein Glück gebe, dass er es gehabt, aber dass
er es nicht mehr habe und nicht mehr haben könne.