
Effi war nun schon über ein halbes Jahr in Hohen-Cremmen;
sie bewohnte die beiden Zimmer im ersten Stock, die sie schon
früher, wenn sie zu Besuch da war, bewohnt hatte; das größere
war für sie persönlich hergerichtet, nebenan schlief
Roswitha. Was Rummschüttel von diesem Aufenthalt und all
dem andern Guten erwartet hatte, das hatte sich auch erfüllt,
soweit sich's erfüllen konnte. Das Hüsteln ließ
nach, der herbe Zug, der das so gütige Gesicht um ein gut
Teil seines Liebreizes gebracht hatte, schwand wieder hin, und
es kamen Tage, wo sie wieder lachen konnte. Von Kessin und allem,
was da zurücklag, wurde wenig gesprochen, mit alleiniger
Ausnahme von Frau von Padden und natürlich von Gieshübler,
für den der alte Briest eine lebhafte Vorliebe hatte. »Dieser
Alonzo, dieser Preziosa-Spanier, der einen Mirambo beherbergt und
eine Trippelli großzieht - ja, das muss ein Genie sein,
das lass ich mir nicht ausreden.« Und dann musste
sich Effi bequemen, ihm den ganzen Gieshübler mit dem Hut
in der Hand und seinen endlosen Artigkeitsverbeugungen vorzuspielen,
was sie, bei dem ihr eigenen Nachahmungstalent, sehr gut konnte,
trotzdem aber ungern tat, weil sie's allemal als ein Unrecht gegen
den guten und lieben Menschen empfand. - Von Innstetten und Annie
war nie die Rede, wiewohl feststand, dass Annie Erbtochter
sei und Hohen-Cremmen ihr zufallen würde.