
Auch die Front des Herrenhauses - eine mit Aloekübeln und
ein paar Gartenstühlen besetzte Rampe - gewährte bei
bewölktem Himmel einen angenehmen und zugleich allerlei Zerstreuung
bietenden Aufenthalt; an Tagen aber, wo die Sonne niederbrannte,
wurde die Gartenseite ganz entschieden bevorzugt, besonders von
Frau und Tochter des Hauses, die denn auch heute wieder auf dem
im vollen Schatten liegenden Fliesengange saßen, in ihrem
Rücken ein paar offene, von wildem Wein umrankte Fenster,
neben sich eine vorspringende kleine Treppe, deren vier Steinstufen
vom Garten aus in das Hochparterre des Seitenflügels hinaufführten.
Beide, Mutter und Tochter, waren fleißig bei der Arbeit,
die der Herstellung eines aus Einzelquadraten zusammenzusetzenden
Altarteppichs galt; ungezählte Wollsträhnen und Seidendocken
lagen auf einem großen runden Tisch bunt durcheinander,
dazwischen - noch vom Lunch her - ein paar Dessertteller und eine
mit großen schönen Stachelbeeren gefüllte Majolikaschale.
Rasch und sicher ging die Wollnadel der Damen hin und her, aber
während die Mutter kein Auge von der Arbeit ließ, legte
die Tochter, die den Rufnamen Effi führte, von Zeit zu Zeit
die Nadel nieder und erhob sich, um unter allerlei kunstgerechten
Beugungen und Streckungen den ganzen Kursus der Heil- und Zimmergymnastik
durchzumachen. Es war ersichtlich, dass sie sich diesen absichtlich
ein wenig ins Komische gezogenen Übungen mit ganz besonderer
Liebe hingab, und wenn sie dann so dastand und, langsam die Arme
hebend, die Handflächen hoch über dem Kopf zusammenlegte,
so sah auch wohl die Mama von ihrer Handarbeit auf, aber immer
nur flüchtig und verstohlen, weil sie nicht zeigen wollte,
wie entzückend sie ihr eigenes Kind finde, zu welcher Regung
mütterlichen Stolzes sie voll berechtigt war. Effi trug ein
blau und weiß gestreiftes, halb kittelartiges Leinwandkleid,
dem erst ein fest zusammengezogener bronzefarbener Ledergürtel
die Taille gab; der Hals war frei, und über Schulter und
Nacken fiel ein breiter Matrosenkragen. In allem, was sie tat,
paarten sich Übermut und Grazie, während ihre lachenden
braunen Augen eine große, natürliche Klugheit und viel
Lebenslust und Herzensgüte verrieten. Man nannte sie die
»Kleine«, was sie sich nur gefallen lassen musste,
weil die schöne schlanke Mama noch um eine Handbreit höher
war.