
Innstetten war ernsthaft gewillt, auf das stille Leben, das er
in seiner landrätlichen Stellung geführt, ein gesellschaftlich
angeregteres folgen zu lassen, um seinet- und noch mehr um Effi's
willen; es ließ sich aber anfangs nur schwach und vereinzelt
damit an, die rechte Zeit war noch nicht gekommen, und das beste,
was man zunächst von dem neuen Leben hatte, war genau so wie
während des zurückliegenden Halbjahres, ein Leben im
Hause. Wüllersdorf kam oft, auch Vetter Briest, und waren
die da, so schickte man zu Gizicki's hinauf, einem jungen Ehepaare,
das über ihnen wohnte. Gizicki selbst war Landgerichtsrat,
seine kluge, aufgeweckte Frau ein Fräulein von Schmettau.
Mitunter wurde musiziert, kurze Zeit sogar ein Whist versucht;
man gab es aber wieder auf, weil man fand, daß eine Plauderei
gemütlicher wäre. Gizicki's hatten bis vor kurzem in
einer kleinen oberschlesischen Stadt gelebt, und Wüllersdorf
war sogar, freilich vor einer Reihe von Jahren schon, in den verschiedensten
kleinen Nestern der Provinz Posen gewesen, weshalb er denn auch
den bekannten Spottvers:
Schrimm
Ist schlimm,
Rogasen
Zum Rasen,
Aber weh' dir nach Samter
Verdammter -
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mit ebenso viel Emphase wie Vorliebe zu zitieren pflegte.
Niemand erheiterte sich dabei mehr als Effi, was dann meistens
Veranlassung wurde, kleinstädtische Geschichten in Hülle
und Fülle folgen zu lassen. Auch Kessin mit Gieshübler
und der Trippelli, mit Oberförster Ring und Sidonie Grasenabb -
kam dann wohl an die Reihe, wobei sich Innstetten, wenn er guter
Laune war, nicht leicht genug thun konnte. »Ja,« so hieß
es dann wohl, »unser gutes Kessin! Das muß ich zugeben,
es war eigentlich reich an Figuren, obenan Crampas, Major Crampas,
ganz Beau und halber Barbarossa, den meine Frau, ich weiß
nicht, soll ich sagen unbegreiflicher oder begreiflicher Weise,
stark in Affektion genommen hatte ...« - »Sagen wir
begreiflicher Weise,« warf Wüllersdorf
ein, »denn ich nehme an, daß er Ressourcenvorstand
war und Komödie spielte, Liebhaber oder Bonvivants. Und vielleicht
noch mehr, vielleicht war er auch ein Tenor.«
Innstetten bestätigte das eine wie das andere, und Effi suchte
lachend darauf einzugehen, aber es gelang ihr nur mit Anstrengung,
und wenn dann die Gäste gingen und Innstetten sich in sein
Zimmer zurückzog, um noch einen Stoß Akten abzuarbeiten,
so fühlte sie sich immer aufs neue von den alten Vorstellungen
gequält, und es war ihr zu Sinn, als ob ihr ein Schatten
nachginge.