
Drei Tage später war Sylvester. Effi erschien in einer reizenden
Balltoilette, einem Geschenk, das ihr der Weihnachtstisch gebracht
hatte; sie tanzte aber nicht, sondern nahm ihren Platz bei den
alten Damen, für die, ganz in der Nähe der Musikempore,
die Fauteuils gestellt waren. Von den adligen Familien, mit denen
Innstetten's vorzugsweise verkehrten, war niemand da, weil kurz
vorher ein kleines Zerwürfnis mit dem städtischen Ressourcenvorstand,
der, namentlich seitens des alten Güldenklee, 'mal wieder
»destruktiver Tendenzen« beschuldigt worden war, stattgefunden
hatte; drei, vier andere adlige Familien aber, die nicht Mitglieder
der Ressource, sondern immer nur geladene Gäste waren und
deren Güter an der anderen Seite der Kessine lagen, waren
aus zum Teil weiter Entfernung über das Flußeis gekommen
und freuten sich, an dem Fest teilnehmen zu können. Effi
saß zwischen der alten Ritterschaftsrätin von Padden
und einer etwas jüngeren Frau von Titzewitz.
Die Ritterschaftsrätin, eine vorzügliche alte Dame,
war in allen Stücken ein Original und suchte das, was die
Natur, besonders durch starke Backenknochenbildung, nach der
wendisch-heidnischen Seite hin für sie gethan hatte, durch
christlich-germanische Glaubensstrenge wieder in Ausgleich zu
bringen. In dieser Strenge ging sie so weit, daß selbst Sidonie von
Grasenabb eine Art esprit fort neben ihr war, wogegen sie freilich
- vielleicht weil sich die Radegaster und die Swantowiter Linie
des Hauses in ihr vereinigten - über jenen alten Paddenhumor
verfügte, der, von langer Zeit her, wie ein Segen auf der Familie
ruhte, und jeden, der mit derselben in Berührung kam, auch
wenn es Gegner in Politik und Kirche waren, herzlich erfreute.