
Innstetten, wie versprochen, schrieb wirklich jeden Tag; was aber
den Empfang seiner Briefe ganz besonders angenehm machte, war
der Umstand, daß er allwöchentlich nur einmal einen
ganz kleinen Antwortbrief erwartete. Den erhielt er denn auch,
voll reizend nichtigen und ihn jedesmal entzückenden Inhalts.
Was es von ernsteren Dingen zu besprechen gab, das verhandelte
Frau von Briest mit ihrem Schwiegersohne: Festsetzungen wegen der
Hochzeit, Ausstattungs- und Wirtschafts-Einrichtungsfragen. Innstetten,
schon an die drei Jahre im Amt, war in seinem Kessiner Hause nicht
glänzend, aber doch sehr standesgemäß eingerichtet,
und es empfahl sich, in der Korrespondenz mit ihm, ein Bild von
allem, was da war, zu gewinnen, um nichts Unnützes anzuschaffen.
Schließlich, als Frau von Briest über all diese Dinge
genugsam unterrichtet war, wurde seitens Mutter und Tochter eine
Reise nach Berlin beschlossen, um, wie Briest sich ausdrückte,
den »trousseau« für Prinzessin Effi zusammenzukaufen.
Effi freute sich sehr auf den Aufenthalt in Berlin, um so mehr,
als der Vater darein gewilligt hatte, im Hotel du Nord Wohnung
zu nehmen. »Was es koste, könne ja von der Ausstattung abgezogen
werden; Innstetten habe ohnehin alles.« Effi - ganz im Gegensatze
zu der solche »Mesquinerien« ein für allemal sich
verbittenden Mama - hatte dem Vater, ohne jede Sorge darum, ob
er's scherz- oder ernsthaft gemeint hatte, freudig zugestimmt
und beschäftigte sich in ihren Gedanken viel, viel mehr mit
dem Eindruck, den sie beide, Mutter und Tochter, bei ihrem Erscheinen
an der Table d'hôte machen würden, als mit Spinn und
Mencke, Goschenhofer und ähnlichen Firmen, die vorläufig
notiert worden waren. Und diesen ihren heiteren Phantasien entsprach
denn auch ihre Haltung, als die große Berliner Woche nun
wirklich da war. Vetter Briest vom Alexander-Regiment, ein ungemein
ausgelassener junger Leutnant, der die »Fliegenden Blätter«
hielt und über die besten Witze Buch führte, stellte
sich den Damen für jede dienstfreie Stunde zur Verfügung,
und so saßen sie denn mit ihm bei Kranzler am Eckfenster
oder zu statthafter Zeit auch wohl im Café
Bauer und fuhren nachmittags in den Zoologischen Garten, um da
die Giraffen zu sehen, von denen Vetter Briest, der übrigens
Dagobert hieß, mit Vorliebe behauptete: »sie sähen aus
wie adlige alte Jungfern.« Jeder Tag verlief programmäßig,
und am dritten oder vierten Tag gingen sie, wie vorgeschrieben,
in die Nationalgalerie, weil Vetter Dagobert seiner Kousine die
»Insel der Seligen« zeigen wollte. »Fräulein Kousine
stehe zwar auf dem Punkte, sich zu verheiraten, es sei aber doch
vielleicht gut, die 'Insel der Seligen' schon vorher
kennen gelernt zu haben.« Die Tante gab ihm einen Schlag mit dem
Fächer, begleitete diesen Schlag aber mit einem so gnädigen
Blick, daß er keine Veranlassung hatte, den Ton zu ändern.
Es waren himmlische Tage für alle drei, nicht zum wenigsten
für den Vetter, der so wundervoll zu chaperonnieren und kleine
Differenzen immer rasch auszugleichen verstand. An solchen Meinungsverschiedenheiten
zwischen Mutter und Tochter war nun, wie das so geht, all die
Zeit über kein Mangel, aber sie traten glücklicherweise
nie bei den zu machenden Einkäufen hervor. Ob man von einer
Sache sechs oder drei Dutzend erstand, Effi war mit allem gleichmäßig
einverstanden, und wenn dann auf dem Heimwege von dem Preise der
eben eingekauften Gegenstände gesprochen wurde, so verwechselte
sie regelmäßig die Zahlen. Frau von Briest, sonst so
kritisch, auch ihrem eigenen geliebten Kinde gegenüber, nahm
dies anscheinend mangelnde Interesse nicht nur von der leichten
Seite, sondern erkannte sogar einen Vorzug darin. »Alle diese Dinge,«
so sagte sie sich, »bedeuten Effi nicht viel. Effi ist anspruchslos;
sie lebt in ihren Vorstellungen und Träumen, und wenn die
Prinzessin Friedrich Karl vorüberfährt und sie von ihrem
Wagen aus freundlich grüßt, so gilt ihr das mehr als
eine ganze Truhe voll Weißzeug.«