Erstes Kapitel

Von "Effi Briest" sind insgesamt fünf illustrierte Ausgaben erschienen,
die erste 1927 mit Steinzeichnungen von Max Liebermann, die nächste
1944 mit Zeichnungen von Kurt Heiligenstaedt, 1948 eine bei Bertelsmann
mit Zeichnungen von Gerhard Ulrich, eine weitere 1970 in Genf mit allerdings nur drei
Linolschnitten von Eduard Prüssen und schließlich die bislang letzte 1972
im (Ost-)Berliner Verlag Neues Leben mit Zeichnungen von Dagmar Elsner-Schwintowsky

Für alle diese Illustrierungen gilt, dass sie sich dem Text gewissermaßen
gegenüber und nicht mehr an die Seite stellen. In älterer Zeit, d.h. bevor es die
Fotografie und den Film gab, erwartete man von der Illustration eine möglichst
zutreffende Wiedergabe des ausgewählten Handlungsmomentes, eben eine wirkliche Abbildung,
und die Handschrift des Künstlers durfte nicht weiter auffällig sein. Es wollten
"die Menschen jede interessante Situation gleich in Kupfer gestochen sehen", beklagt
Goethe in einem Brief an Schiller am 23. Dezember 1797, "damit nur ja ihrer Imagination
keine Tätigkeit übrig bleibe", also um sich selbst nichts vorstellen, sich selbst nicht
anstrengen zu müssen.

In jüngerer Zeit hingegen dient die Illustrierung weniger der
Veranschaulichung der Handlung als der Demonstration einer bestimmten künstlerischen
Eigenart. Auf die richtige Wiedergabe des behandelten Momentes kommt es also kaum mehr
an, sondern es wird vor allem eine möglichst individuelle Gestaltung angestrebt.
Das zeigen insbesondere die Zeichnungen von Max Liebermann, die weder stets den
geschilderten Situationen noch gar dem historischen Milieu des Romans entsprechen.
Aber auch die Zeichnungen von Kurt Heiligenstaedt bilden die Handlung nicht
milieugerecht ab, und bei Dagmar Elsner-Schwintowsky deuten sich die wiedergegebenen
Situationen eigentlich nur noch an. Am ehesten entsprechen dem alten
Illustrations-Gedanken noch die Zeichnungen von Gerhard Ulrich, doch ist
auch hier das Bemühen um eine originelle Gestaltung nicht zu verkennen.

Eine zweite Serie von Abbildern des Romans sind die Verfilmungen. Der erste Film
entstand 1938 unter der Regie von Gustav Gründgens ("Der Schritt vom Wege"), der
zweite 1955 unter dem Titel "Rosen im Herbst" (Regie: Rudolf Jugert), der dritte
als Produktion der DEFA 1968 (Regie: Wolfgang Luderer), der vierte 1974 unter der Regie von
Rainer Werner Fassbinder und der fünfte und bislang letzte 2009 als CONSTANTIN-Film unter der Regie von Hermine
Huntgeburth. Näheres zu den Filmen und ihrer Stoffbehandlung findet sich unter WIRKUNG, hier ist
lediglich eine Auswahl von Standfotos zu sehen.

Zur besseren Vergleichbarkeit sind je Kapitel immer zunächst die Zeichnungen
und dann die Filmbilder wiedergegeben, von Fall zu Fall auch noch nach
Szenen sortiert. Die Unterschriften sind sämtlichst dem Romantext entnommen
und den Bildern sinnentsprechend hinzugefügt.
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"Beide, Mutter und Tochter, waren fleißig bei der Arbeit,
die der Herstellung eines aus Einzelquadraten zusammenzusetzenden
Altarteppichs galt ..." (Kurt Heiligenstaedt, 1944)
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"Ungezählte Wollsträhnen und Seidendocken
lagen auf einem großen, runden Tisch bunt durcheinander ..." (Gerhard Ulrich, 1948)
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"... stiegen in das dort angekettete Boot und ließen von diesem aus die
mit einem Kiesel beschwerte Tüte langsam in den Teich niedergleiten."
(Gerhard Ulrich, 1948)
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"... der Hals war frei, und über Schulter und Nacken fiel ein breiter Matrosenkragen."
Die 29-jährige Marianne Hoppe als 17-jährige Effi ("Der Schritt vom Wege", 1938).
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"Effi vermied es, einen Unterschied zwischen den drei Freundinnen zu machen ..."
("Der Schritt vom Wege", 1938)
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"... Geert von Innstetten also und Baron. Er ist gerade so alt wie Mama, auf den Tag."
Die 29-jährige Hanna Schygulla als Effi und ihre Freundin Hulda Niemeyer (Eva Mattes, geb. 1954)
in R. W. Fassbinders "Effi Briest" (1974).
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Der CONSTANTIN-Film von 2009: Die 29-jährige Julia Jentsch als Effi und eine Freundin.
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