Die Ardenne-Geschichte Zur Übersicht Zur Synopse Zur Einzelebene Druck
Zweiunddreißigstes Kapitel
Armand von Ardenne muss nach dem Tod Hartwichs seinen Vorgesetzten im Kriegsministerium von dem Duell natürlich Mitteilung machen, weiß aber auch, dass er hier auf jedes Entgegenkommen rechnen kann. Ein Offizier, der bei einem solchen ehebrecherischen Verhältnis den Liebhaber seiner Frau zu fordern unterließe, müsste im Gegenteil mit der äußerten Verachtung seiner Kreise rechnen. Dass Hartwich nach dem Schusswechsel Ardenne noch um Verzeihung gebeten hat, wie protokollarisch festgehalten ist, bestätigt nur die Berechtigung dieser Sühne. Das zusammengetretene Militärgericht verurteilt Ardenne am 15. Dezember 1886 zu der gesetzlichen Mindeststrafe von zwei Jahren Festungshaft. Ardenne kann sich die Festung aussuchen und entscheidet sich für Magdeburg, dessen Kommandanten er persönlich kennt. Am 4. Januar 1887 tritt er die Haft an, zunächst zu den üblichen harten Bedingungen, wie er in Briefen an seine Mutter klagt, da der Kommandant noch in Urlaub ist. Nach einigen Tagen genießt er hier aber allen erdenklichen Komfort. Die Mutter schickt große Versorgungspakete mit Hühnern, Karpfen, Pökelfleisch, aus dem Kriegsministerium werden zur Bearbeitung Akten überstellt, und angemessene Gesellschaft hat er auch. Es sind zwei Offiziere, die wie er im Duell jemanden getötet haben, und ein Förster, der einen Wilddieb erschossen hat. "Wir vier Mörder", schreibt er gemütlich an seine Mutter, "sind aber eigentlich sehr harmlose Menschen". So lässt es sich wohl eine Zeitlang aushalten. Bei Fontane sind es für Innstetten sechs Haftwochen, Ardenne verbüßt von seinen zwei Jahren an Wochen noch nicht einmal drei. Am 22. Januar 1887 wird ihm durch Kaiser Wilhelm 'der Rest der zu verbüßenden Freiheitsstrafe aus Gnade erlassen'.
Anders als Innstetten bei Fontane sieht sich Ardenne aber noch durch einen Zeitungsbericht über den Duell-Fall beleidigt. Die DRESDNER NACHRICHTEN melden am 5. Dezember 1886, dass ein 'höherer Offizier' den Amtsrichter Hartwich im Duell getötet habe, weil er sich "durch Briefe des Amtsrichters, die in seine Hände gefallen waren, schwer verletzt gefühlt habe". Das konnte heißen, dass lediglich Briefäußerungen der Grund für das Duell gewesen sind, und kennzeichnete damit den Herausforderer als übermäßig empfindlich. Noch verschärft wurde diese Bewertung durch eine Meldung des nächsten Tages, die mit den Worten beginnt:
Die sensationellen Ereignisse in Berlin überstürzen sich jetzt förmlich. Kaum hat der zur Dienstleistung in das Kriegsministerium kommandirte Rittmeister Baron v. Ardenne seinen Gegner, den Amtsrichter Hartwich aus Düsseldorf, den Begründer des Vereins zur Hebung der Gesundheit und Körperpflege und eifrigen Förderer des Turnens und der Jugendspiele, im Duell erschossen, so hat jetzt ein anderer, ebenfalls zur Dienstleistung in das Kriegsministerium kommandirter Offizier in der Nacht seinem Leben ein Ende gemacht ...
Hier wird nicht nur durch die positive Bewertung Hartwichs, sondern erst recht durch den Folgefall eines in derselben Umgebung verübten Selbstmordes der Eindruck erweckt, als gehe es in diesem Ministerium drunter und drüber. Ardenne legt deshalb seinen Vorgesetzten auch nahe, gegen diese Meldungen gerichtlich vorzugehen, kann sich aber nicht durchsetzen. Man bezweifelt, dass das Material für einen Strafantrag ausreicht, und so kann Ardenne sich nur damit trösten, dass gegen eine solche Kampagne der "gemeinen Brut der Juden" alle anständigen Leute seine Partei ergreifen würden. Wer so von den DRESDNER NACHRICHTEN angegriffen werde, schreibt er am 22. Januar 1887 an seine Mutter, "der sei in den Augen der maßgebenden Kreise ein anständiger Mensch".
Schon wenige Tage nach dem Duell reicht Ardenne beim Königlichen Amtsgericht in Berlin die Scheidungsklage ein, der in der mündlichen Verhandlung am 15. März 1887 auch stattgegeben wird. Aus dem ehelichen Vermögen erhält Elisabeth von Ardenne eine Abfindung von - immerhin - 32 000 Mark zugesprochen (in Euro bald das Zehnfache), die Ardenne ihr dann in immer wieder umstrittenen Teilbeträgen als Leibrente auszahlt. Er hat Sorge, dass sie das Geld, wenn sie es im Ganzen erhielte, binnen kurzem ausgeben würde und er dann doch für sie aufkommen müsste. "Denn verhungern könnte ich doch die Mutter meiner Kinder nicht lassen", schreibt er an seine Mutter. Den Namen Ardenne darf sie behalten.
Schon während des Scheidungsverfahrens verlässt Elisabeth von Ardenne Berlin und zieht zu ihrer Schwester Luise von Gersdorff in die Nähe von Bad Kreuznach. Dort lernt sie den württembergischen Pfarrer Christoph Blumhardt kennen, der einen Ruf als 'Seelenheiler' hat, und folgt ihm nach Bad Boll. In vielen Gesprächen hilft er ihr über ihre Lebenskrise hinweg und legt ihr nahe, sich zur Krankenschwester ausbilden zu lassen. Sie absolviert eine Ausbildung in der Schweiz und wird anschließend Pflegerin in einem kleinen Lungen-Sanatorium in Schlesien. Da dies bald wieder schließen muss, geht sie zunächst nach Karlruhe und dann - 1889 - zurück nach Berlin, wo sie in Zehlendorf im 'Asyl Schweizerhof' arbeitet. Den Weg ihres Mannes und der Kinder kreuzt sie hier aber nicht mehr, da diese Berlin schon verlassen haben. Von der Tätigkeit in Berlin hat aber Fontane gewusst, der am 27. Oktober 1895 an Clara Kühnast schreibt, dass die wirkliche Effi noch lebe und eine "ausgezeichnete Pflegerin in einer großen Heilanstalt" sei. Er räumt Effi als geschiedener Frau also bewusst weniger Chancen ein, die ja darüber klagt, "daß einem die Welt so zu ist und daß es sich einem sogar verbietet, bei Gutem mit dabeizusein" (Kap.32, Abs.42). Allenfalls mögen die häufigen Ortswechsel Elisabeth von Ardennes in den ersten Jahren nach ihrer Scheidung ein Indiz für derlei Schwierigkeiten auch in ihrem Falle sein, denn auch zu der Zeit, da Fontane sie noch in der Berliner Heilanstalt vermutet, arbeitet sie dort schon nicht mehr, sondern in einem Sanatorium in der Schweiz. Anders als Effi reist sie aber auch viel in diesen Jahren, in Deutschland, der Schweiz, nach Italien und sogar nach London, so dass sie dann doch allmählich in einem Leben auch ohne Familie Fuß fassen kann.