Die Ardenne-Geschichte Zur Übersicht Zur Synopse Druckfassung
Siebenundzwanzigstes Kapitel
Auch wenn zur weiteren Entwicklung des Verhältnisses zwischen Elisabeth von Ardenne und Emil Hartwich Einzelheiten nicht bekannt sind, lässt sich folgern, dass es bis zum Sommer 1886 zu einem Einvernehmen darüber gekommen sein muss, dass beide sich scheiden lassen und damit den Weg in eine gemeinsame Zukunft für sich freimachen wollten. In einem in diese Zeit fallenden Brief spricht Hartwich unter dem Vorwand, Ratschläge für eine Schwester Elisabeths zu erteilen, die rechtlichen Aspekte eines solchen Schrittes an:
Gnädigste!
Die traurigen Mitteilungen über Ihre mir leider nicht bekannte Frau Schwester haben mich sehr schmerzlich berührt. Es scheint, daß immer die besten am meisten leiden müssen. Selbstredend bin ich jederzeit bereit, Ihnen resp. ihr mit meinem besten Rath zur Hilfe zu stehen; jedenfalls rathe ich der armen Frau schon jetzt, kurz entschlossen zu sein und ihre und der Kinder Rechte zu wahren. Ich werde mich aus Verehrung zu Ihnen 'mal etwas in das Allg. Landrecht stürzen und sehen was allenfalls zu machen ist. Diesen Brief schreibe ich selbstredend nur für Sie. Man könnte mich ja sonst für eindringlich halten; aber ich weiß ja, daß Ihnen meine Theilnahme Freude macht. Natürlich schreibe ich per "Einschreiben" weil Familien-Interessen immer sicher gehen müssen ...
Dass Armand von Ardenne von dieser Tarnung irregeführt werden konnte, kann man ausschließen. Elisabeth von Ardenne hatte zu diesem Zeitpunkt nur eine verheiratete Schwester, die 1852 geborene Luise verh. von Gersdorff, die mit fünf Kindern bei Bad Kreuznach lebte und an Scheidung nicht dachte. Die zweite Schwester, die 1850 geborene Gertrude verh. von Witzleben, war 1881 gestorben, und die dritte und älteste, die 1847 geborene Margaretha von Plotho, war unverheiratet. So spricht Hartwich fraglos Elisabeths eigene Scheidungspläne an und will ihr Mut machen, an ihnen festzuhalten.
Im August 1886 kommt Hartwich ein weiteres Mal nach Berlin und findet diesmal dank der Abreise Ardennes ins Manöver Gelegenheit, endlich mit der geliebten Frau ein paar Tage allein zu sein. Ardenne stellt bei seiner Rückkehr eine 'sichtbare Wandlung' an dieser fest und beobachtet auch, dass sie "Briefe, die sie heimlich erhalten, mit großer Vorsicht sortirte und selbst lebhaft correspondirte". Das Verhältnis ist allerdings schon so getrübt, dass er sie nicht zur Rede stellt, sondern überwacht. Sein Misstrauen nimmt zu, als Hartwich Mitte Oktober erneut in Berlin auftaucht und seine Frau ohne sein Wissen mit ihm bei Bekannten zusammentrifft. Zwar kann Hartwich als Grund für seine Anwesenheit den Tod seines Schwiegervaters nennen, aber sein Aufenthalt verlängert sich doch weit über den Tag der Beerdigung hinaus und geht erst am 22. Oktober zu Ende. Einem von Elisabeth von Ardenne hinterlassenen Tagebuch zufolge werden in dieser Zeit nun auch genauere Abreden für die Zukunft getroffen, der Gedanke der beiderseitigen Scheidung hat sich in ihnen festgesetzt. Schon seine Ankunft hat Hartwich mit den Worten angekündigt:
Hoffentlich treffe ich schon mit diesem Brief in Berlin ein! Denn wenn schon, denn schon. Ein langes Sichhinschleppen ist mir ein fürchterlicher Gedanke.
In der Zwischenzeit nämlich ist ihm auch der Urlaub vom Justizdienst genehmigt worden und soll zum 1. Dezember 1886 wirksam werden. So drängt alles auf eine Entscheidung. Kaum in Düsseldorf zurück, nimmt er den Briefaustausch mit Berlin wieder auf, hoffend sicherlich, dass die Einleitung eines Scheidungsverfahrens von ihrer Seite nicht mehr lange auf sich warten lassen wird. Nach dem Preußischen Allgemeinen Landrecht, das vor Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches im Jahre 1900 in Preußen noch gilt, kann eine Ehe auch wegen Zerrüttung geschieden werden, und bei gegenseitigem Einvernehmen auch schnell. Darauf scheint das Paar zu spekulieren, nur dass Armand von Ardenne in diese Rechnung nicht einbezogen ist. In der Nacht vom 24. zum 25. November 1886 verschafft er sich, längst voller Misstrauen, mit einem Nachschlüssel Zugang zur Briefschatulle seiner Frau und findet darin den Beweis, dass diese ihn mit Hartwich betrogen hat. Die betreffende Passage aus Ardennes Scheidungsantrag:
Diese Briefe datieren aus der Zeit von Anfang September bis November dieses Jahres, sind sämtlich von Hartwich geschrieben, und enthalten den unzweideutigen Beweis, daß die Ehefrau und Hartwich Geschlechtsgemeinschaft gehabt, daß sie getrennt von einander in der Phantasie diese Gemeinschaft mit glühender Leidenschaft fortgesetzt und die Scheidung von ihren beiderseitigen Ehegatten und Verheiratung miteinander geplant haben. Zur baldmöglichen Erreichung dieses Zieles hat Amtsrichter Hartwich Rath und Anleitung gegeben.
Noch am 25. November morgens mit den Vorwürfen konfrontiert, gibt Elisabeth von Ardenne alles zu und erklärt ihrem Mann mit "dürren Worten" - so dessen eigene Formulierung -, dass sie ihn nie geliebt habe. Anschuldigungen, dass auch er sie betrogen habe, bleiben nicht aus - eine Scheidung in gegenseitigem Einvernehmen, wenn sie denn unter anderen Umständen möglich gewesen wäre, kommt nicht mehr infrage. Dass sein langjähriger Freund ihn, während er im Manöver war, mit seiner Frau betrogen hat, kann der Offizier Ardenne nicht auf sich beruhen lassen. Noch am selben Tag geht die Forderung auf Pistolen an Hartwich nach Düsseldorf ab.