Der Gesandte macht mir viel Verdruß, ich habe es vorausgesehn.
Er ist der pünktlichste Narr, den es nur geben
kann; Schritt vor Schritt, und umständlich wie eine Base;
ein Mensch, der nie mit sich selbst zufrieden ist, und dem
es daher niemand zu Danke machen kann. Ich arbeite gern
leicht weg, und wie es steht, so steht es: da ist er imstande,
mir einen Aufsatz zurückzugeben und zu sagen: Er ist
gut, aber sehen Sie ihn durch, man findet immer ein besseres Wort,
eine reinere Partikel. - Da möchte ich des Teufels werden.
Kein Und, kein Bindewörtchen darf außenbleiben, und
von allen Inversionen, die mir manchmal
entfahren, ist er ein Todfeind; wenn man seinen Perioden
nicht nach der hergebrachten Melodie heraborgelt, so versteht
er gar nichts drin. Das ist ein Leiden, mit so einem
Menschen zu tun zu haben.
Das Vertrauen des Grafen von C.. ist noch das einzige,
was mich schadlos hält. Er sagte mir letzthin ganz
aufrichtig, wie unzufrieden er mit der Langsamkeit und
Bedenklichkeit meines Gesandten sei. Die Leute erschweren es
sich und andern; doch, sagte er, man muß sich darein
resignieren, wie ein Reisender, der über einen Berg muß;
freilich, wäre der Berg nicht da, so wäre der Weg viel
bequemer und kürzer; er ist nun aber da, und man soll
hinüber!
Mein Alter spürt auch wohl den Vorzug, den mir der
Graf vor ihm gibt, und das ärgert ihn, und er ergreift jede
Gelegenheit, Übels gegen mich vom Grafen zu reden: ich
halte, wie natürlich, Widerpart, und dadurch wird die
Sache nur schlimmer. Gestern gar brachte er mich auf,
denn ich war mit gemeint: zu so Weltgeschäften sei der
Graf ganz gut, er habe viele Leichtigkeit zu arbeiten und
führe eine gute Feder, doch an gründlicher Gelehrsamkeit
mangle es ihm wie allen Belletristen. Dazu machte er eine
Miene, als ob er sagen wollte: Fühlst du den Stich? Aber es
tat bei mir nicht die Wirkung, ich verachtete den Menschen,
der so denken und sich so betragen konnte. Ich
hielt ihm stand, und focht mit ziemlicher Heftigkeit. Ich
sagte, der Graf sei ein Mann, vor dem man Achtung haben
müsse, wegen seines Charakters sowohl als wegen seiner
Kenntnisse. Ich habe, sagt ich, niemand gekannt, dem es
so geglückt wäre, seinen Geist zu erweitern, ihn über
unzählige Gegenstände zu verbreiten und doch diese
Tätigkeit fürs gemeine Leben zu behalten. - Das waren
dem Gehirne spanische Dörfer, und ich empfahl mich, um
nicht über ein weiteres Deraisonnement noch mehr Galle
zu schlucken.
Und daran seid ihr alle schuld, die ihr mich in das Joch
geschwatzt, und mir so viel von Aktivität vorgesungen
habt. Aktivität! Wenn nicht der mehr tut, der Kartoffeln
legt, und in die Stadt reitet, sein Korn zu verkaufen, als
ich, so will ich zehn Jahre noch mich auf der Galeere
abarbeiten, auf der ich nun angeschmiedet bin.
Und das glänzende Elend, die Langeweile unter dem
garstigen Volke, das sich hier neben einander sieht! die
Rangsucht unter ihnen, wie sie nur wachen und aufpassen,
einander ein Schrittchen abzugewinnen; die elendesten
erbärmlichsten Leidenschaften, ganz ohne Röckchen.
Da ist ein Weib, zum Exempel, die jedermann von
ihrem Adel und ihrem Lande unterhält, so daß jeder
Fremde denken muß: das ist eine Närrin, die sich auf das
bißchen Adel und auf den Ruf ihres Landes Wunderstreiche einbildet. -
Aber es ist noch viel ärger: eben das Weib
ist hier aus der Nachbarschaft eine Amtschreiberstochter.
Sieh, ich kann das Menschengeschlecht nicht begreifen,
das so wenig Sinn hat, um sich so platt zu prostituieren.
Was mich am meisten neckt, sind die fatalen bürgerlichen
Verhältnisse. Zwar weiß ich so gut als einer, wie
nötig der Unterschied der Stände ist, wie viel Vorteile er
mir selbst verschafft: nur soll er mir nicht eben gerade im
Wege stehen, wo ich noch ein wenig Freude, einen Schimmer von
Glück auf dieser Erde genießen könnte. Ich
lernte neulich auf dem Spaziergange ein Fräulein von B..
kennen, ein liebenswürdiges Geschöpf, das sehr viele
Natur mitten in dem steifen Leben erhalten hat. Wir gefielen
uns in unserem Gespräche, und da wir schieden, bat
ich sie um Erlaubnis, sie bei sich sehen zu dürfen. Sie
gestattete mir das mit so viel Freimütigkeit, daß ich den
schicklichen Augenblick kaum erwarten konnte, zu ihr zu
gehen. Sie ist nicht von hier und wohnt bei einer Tante im
Hause. Die Physiognomie der Alten gefiel mir nicht. Ich
bezeigte ihr viel Aufmerksamkeit, mein Gespräch war
meist an sie gewandt, und in minder als einer halben
Stunde hatte ich so ziemlich weg, was mir das Fräulein
nachher selbst gestand: daß die liebe Tante in ihrem Alter
Mangel von allem, kein anständiges Vermögen, keinen
Geist, und keine Stütze hat als die Reihe ihrer Vorfahren,
keinen Schirm als den Stand, in den sie sich verpalisadiert,
und kein Ergetzen, als von ihrem Stockwerk herab über
die bürgerlichen Häupter wegzusehen. In ihrer Jugend
soll sie schön gewesen sein und ihr Leben weggegaukelt,
erst mit ihrem Eigensinne manchen armen Jungen gequält,
und in den reifern Jahren sich unter den Gehorsam
eines alten Offiziers geduckt haben, der gegen diesen
Preis und einen leidlichen Unterhalt das eherne Jahrhundert
mit ihr zubrachte und starb. Nun sieht sie im eisernen
sich allein und würde nicht angesehn, wär ihre Nichte
nicht so liebenswürdig.
