Ich lebe so glückliche Tage, wie sie Gott seinen Heiligen
ausspart; und mit mir mag werden was will, so darf ich
nicht sagen, daß ich die Freuden, die reinsten Freuden des
Lebens nicht genossen habe. - Du kennst mein Wahlheim; dort bin
ich völlig etabliert, von da habe ich nur eine
halbe Stunde zu Lotten, dort fühl ich mich selbst und
alles Glück, das dem Menschen gegeben ist.
Lieber Wilhelm, ich habe allerlei nachgedacht, über
die Begier im Menschen, sich auszubreiten, neue Entdekkungen
zu machen, herumzuschweifen; und dann wieder über den
innern Trieb, sich der Einschränkung willig zu ergeben,
in dem Gleise der Gewohnheit so hinzufahren, und sich weder
um Rechts noch um Links zu bekümmern.
Es ist wunderbar: wie ich hierher kam und vom Hügel
in das schöne Tal schaute, wie es mich rings umher anzog.
Dort das Wäldchen! - Ach könntest du dich in seine
Schatten mischen! - Dort die Spitze des Berges! - Ach
könntest du von da die weite Gegend überschauen! - Die
ineinander geketteten Hügel und vertraulichen Täler! - O
könnte ich mich in ihnen verlieren! - Ich eilte hin, und
kehrte zurück, und hatte nicht gefunden, was ich hoffte.
O es ist mit der Ferne wie mit der Zukunft! ein großes
dämmerndes Ganze ruht vor unserer Seele, unsere Empfindung
verschwimmt darin wie unser Auge, und wir sehnen uns, ach! unser
ganzes Wesen hinzugeben, uns mit
aller Wonne eines einzigen, großen, herrlichen Gefühls
ausfüllen zu lassen. - Und ach! wenn wir hinzueilen, wenn das
Dort nun Hier wird, ist alles vor wie nach, und
wir stehen in unserer Armut, in unserer Eingeschränktheit,
und unsere Seele lechzt nach entschlüpftem Labsale.
Wenn ich des Morgens mit Sonnenaufgange hinausgehe
nach meinem Wahlheim, und dort im Wirtsgarten mir
meine Zuckererbsen selbst pflücke, mich hinsetze, sie
abfädne und dazwischen in meinem Homer lese; wenn ich
denn in der kleinen Küche mir einen Topf wähle, mir
Butter aussteche, Schoten ans Feuer stelle, zudecke, und
mich dazusetze, sie manchmal umzuschütteln: da fühl ich
so lebhaft, wie die übermütigen Freier der Penelope Ochsen
und Schweine schlachten, zerlegen und braten. Es ist
nichts, das mich so mit einer stillen wahren Empfindung
ausfüllte, als die Züge patriarchalischen Lebens, die ich,
Gott sei Dank, ohne Affektation in meine Lebensart verweben kann.
Wie wohl ist mir's, daß mein Herz die simple harmlose
Wonne des Menschen fühlen kann, der ein Krauthaupt
auf seinen Tisch bringt, das er selbst gezogen, und nun
nicht den Kohl allein, sondern all die guten Tage, den
schönen Morgen, da er ihn pflanzte, die lieblichen
Abende, da er ihn begoß, und da er an dem fortschreitenden
Wachstum seine Freude hatte, alle in einem Augenblicke wieder mitgenießt.
