
Dass dies zumal bei Bahnfahrten hilfreich sein konnte, hat Fontane selbst
verschiedentlich erfahren. Eines dieser Erlebnisse schildert er seiner Frau
in einem Brief vom 17. Juli 1888 nach einer Fahrt ins Riesengebirge:
Die Reise verlief gut mit kleinen Erlebnissen. In Lübbenau stieg ein Pastor
mit seiner todkranken (Schwindsucht) Frau ein, die nach Hirschberg und von
Hirschberg nach Reinerz wollten. Ich war allein. "Meine Frau ist krank,
ich mache deshalb das Fenster zu und bitte Sie freundlichst, auch das
Fenster an Ihrer Seite zumachen zu wollen." Geschah. Nun ging es los.
Furchtbare Hitze, die Sonne stach nur so, dazu das Husten in jämmerlicher
Weise; der Pastor stand mit einer ledernen Reisetasche daneben, die nichts
war als das Futteral für einen flaschenartigen Spucknapf. Dann schnappte
die Reisetasche auf eine Minute (höchstens) wieder zu, während der kleine,
fast hermetisch verschlossene Raum sich mit den eigentümlich süßlichen
Miasmen des Lungenauswurfs der Schwindsüchtigen füllte. Ich kam beinah
um, kuckte immer weg und roch an meinem kl. Esprit-de-Menthe-Fläschchen.
In Cottbus, nachdem das mindestens 3/4 Stunde gedauert hatte, sprang ich
mit Sack und Pack aus dem Wagen und empfahl mich mit sehr kurzem Gruß.
... Stünde mir eine Zeitung zu Gebot, so würde ich den ganzen Fall zur
Sprache bringen, nicht des dämlichen Pastors, sondern der dabei mitspielenden
Frage halber. Die Frau war eine Sterbende und natürlich der Gegenstand
meiner aufrichtigsten Teilnahme; aber weil mir eine Sterbende leid tut,
kann man noch nicht von mir verlangen, daß ich mich zu ihr ins Sterbebett
lege und die letzten Agonien mit durchmache. Die Sache war so toll,
so schrecklich, so eklig, daß mancher, der selber schwach auf den
Beinen ist, eine Krankheit davon hätte wegkriegen können.