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Zweiundzwanzigstes Kapitel
Sprung zum Absatz 17 des Romantextes
"Seit 24 Stunden bin ich hier in Berlin; Konsultationen bei Schweigger ..."
Karl Schweigger (1830-1905): namhafter Professor für Augenheilkunde an der Berliner Universitätsklinik.
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Sprung zum Absatz 32 des Romantextes
"Also auf Diskretion."
Diskretion: nach dem französischen à discretion in der Bedeutung 'nach Belieben'.
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Sprung zum Absatz 55 des Romantextes
"... Ich habe mir eben ein Fläschchen mit Sal volatile gekauft; im Coupé sind mitunter so merkwürdige Menschen und wollen einem nicht 'mal erlauben, daß man ein Fenster aufmacht; und wenn mir dann vielleicht - denn es steigt einem ja ordentlich zu Kopf, ich meine das Salz - die Augen übergehen, dann will ich an Sie denken."
Sal volatile ('flüchtiges Salz') ist Riechsalz, eine stark dunstende kristalline Substanz auf Ammoniak-Basis, die mit Duftstoffen wie Zitrone, Lavendel, Bergamott, Nelken, Moschus u.a. versetzt und benutzt wurde, um aufkommender Übelkeit zu begegnen. Das Salz wurde in der Regel in Fläschchen verkauft, in denen die Kristalle zwischen Glasperlen oder Schwammstücken verteilt waren. Dicht vor das Gesicht gehalten, konnten andere Gerüche damit unterdrückt werden.
Dass dies zumal bei Bahnfahrten hilfreich sein konnte, hat Fontane selbst verschiedentlich erfahren. Eines dieser Erlebnisse schildert er seiner Frau in einem Brief vom 17. Juli 1888 nach einer Fahrt ins Riesengebirge:
Die Reise verlief gut mit kleinen Erlebnissen. In Lübbenau stieg ein Pastor mit seiner todkranken (Schwindsucht) Frau ein, die nach Hirschberg und von Hirschberg nach Reinerz wollten. Ich war allein. "Meine Frau ist krank, ich mache deshalb das Fenster zu und bitte Sie freundlichst, auch das Fenster an Ihrer Seite zumachen zu wollen." Geschah. Nun ging es los. Furchtbare Hitze, die Sonne stach nur so, dazu das Husten in jämmerlicher Weise; der Pastor stand mit einer ledernen Reisetasche daneben, die nichts war als das Futteral für einen flaschenartigen Spucknapf. Dann schnappte die Reisetasche auf eine Minute (höchstens) wieder zu, während der kleine, fast hermetisch verschlossene Raum sich mit den eigentümlich süßlichen Miasmen des Lungenauswurfs der Schwindsüchtigen füllte. Ich kam beinah um, kuckte immer weg und roch an meinem kl. Esprit-de-Menthe-Fläschchen. In Cottbus, nachdem das mindestens 3/4 Stunde gedauert hatte, sprang ich mit Sack und Pack aus dem Wagen und empfahl mich mit sehr kurzem Gruß. ... Stünde mir eine Zeitung zu Gebot, so würde ich den ganzen Fall zur Sprache bringen, nicht des dämlichen Pastors, sondern der dabei mitspielenden Frage halber. Die Frau war eine Sterbende und natürlich der Gegenstand meiner aufrichtigsten Teilnahme; aber weil mir eine Sterbende leid tut, kann man noch nicht von mir verlangen, daß ich mich zu ihr ins Sterbebett lege und die letzten Agonien mit durchmache. Die Sache war so toll, so schrecklich, so eklig, daß mancher, der selber schwach auf den Beinen ist, eine Krankheit davon hätte wegkriegen können.
Adolf Menzel: Nach durchfahrener Nacht. Menzel (1815-1905) malte um 1880 mehrerer solcher Bahnszenen, wie Fontane sie andeutet. Hier der Blick in ein - immerhin - 2.-Klasse-Abteil.
In den Eisenbahnwagen jener Zeit konnte man das Abteil während der Fahrt noch nicht wechseln, Wagen zum Durchgehen gab es erst ab 1894.
Ein Wagen der Preußischen Eisenbahn mit Einzelabteilen aus dem Jahr 1905. Das erhöhte Abteil ist das Bremserhäuschen.
Benutzte Literatur: Wagner, Peter