Aktuelle Forschungsprojelte
1. Die Eroberung des Meeres im antiken und europäischen Denken der Neuzeit
Die frühneuzeitliche Expansion bildet ein zentrales Element europäischer Identifikation und Welterfassung. Entscheidende Voraussetzungen im Bereich der Geographie, Kosmologie und Ethnographie wurden in der Antike gelegt und - gebrochen sowie angereichert mit christlichen Weltbildern - über das Mittelalter in die Wahrnehmung der frühneuzeitlichen Gelehrten und Entdecker transportiert. Ziel des (bis November 2008 befristeten) Forschungsprojektes ist es, diese Kontinuitäten herauszuarbeiten sowie zu klären, inwieweit die Eroberung des Meeres in Antike und Früher Neuzeit vergleichbare Entwicklungsschübe im Bereich der Ethnographie, Philosophie und geographischer Welterfassung und Wissenskonstruktionen initiiert hat. Bisherige Forschungsergebnisse wurden in Monographien ("Die Antike und das Meer"), Aufsätzen und Sammelbänden ("Aufbruch in Neue Welten und Neue Zeiten") vorgestellt. Als Teilprojekt ist eine auf zwei Bände angelegte kommentierte Edition der wichtigsten Quellen (in Original und Übersetzung) zur antiken Eroberung des Meeres geplant, welche sich an die von E. Schmitt herausgegebenen "Dokumente zur Geschichte der europäischen Expansion" orientiert und den Anschluss an die frühneuzeitliche Forschung herstellen soll. Zudem soll sie die bis heute vielfach benutzte Ausgabe von R. Hennig, Terrae incognitae von 1947 ersetzen. Ein entsprechendes Drittmittelprojekt ist in Vorbereitung. Es besteht eine Kooperation mit der Gesellschaft für Überseegeschichte (ehemals: Forschungs-stiftung für vergleichende europäische Überseegeschichte) an der Universität Bamberg, mit dem Hochschulinstitut für Europäische Geschichte in Florenz (Prof. Van Gelderen) sowie mit dem Institut für Geschichte der Universität Hildesheim (Prof. M. Gehler) .
2. Alte Geschichte und "Neue Weltgeschichte"
Das Forschungsprojekt setzt sich zum Ziel, die vornehmlich auf die Neueren Epochen angewandten Fragestellungen der world- oder global-history modifiziert auf die Antike zu übertragen. (1.) In einem ersten Schritt sollen die wesentlichen Interaktionsräume und -routen in ihrer sozialgeographischen und ökologischen Eigenart analysiert werden. (2.) Danach richtet sich das Interesse auf die "kosmopolitischen Gruppen" (u.a. Händler, Söldner, Wanderphilosophen, Glaubensverkünder), die zwischen den areas als Träger von Interaktionen aktiv waren, sowie ihre sich weit über den Mittelmeerraum erstreckenden Netzwerkbildungen. (3.) An beide Analysebereiche schließt sich die Frage an, in welchem Umfang diese Gruppen für den Transfer von Ideen, Mythen, Wissen und Fertigkeiten verantwortlich waren, wie sie die Veränderung von Wissensbeständen und Weltdeutungen beeinflussten und inwieweit es ihnen gelang, unpolitische Themen und Lösungsangebote in den politischen Raum antiker Gesellschaften einzubringen. Als Analysemodell bieten sich die von J.E. Bentley (Old World Encounters, 1993) angewandten patterns (conversion through voluntary association, conv. introduced by political, social or economic pressure; conv. by assimiliation) an. In einem letzten Schritt ist (4.) zu prüfen, welche Bedeutung die von der mediterranen Welt ausgehenden bzw. in die mediterrane Welt reichenden Kontakte zu bzw. von anderen Hochkulturen für die Entwicklung dieser Hochkulturen hatten. Als Zwischenergebnisse liegen Aufsatzmanuskripte zu den griechisch-indischen Kontakten sowie die Monographie "Kleine griechische Geschichte" (Reclam) vor, die bewusst die griechische Antike über die Kategorien "Mobilität", "Austausch" und "Vernetzung" zu erschließen sucht. Eine Kooperation besteht mit dem "Arbeitskreis Welt- und Globalgeschichte" (Prof. S. Popp), aus dem heraus Drittmittelanträge erwachsen sollen. Ein eigener Drittmittelantrag wird vorbereitet.
3. Krieg in der Antike - "Erlebnis" und "Erfahrung"
Der auf neuzeitliche Kriegsereignisse angewandte Begriff der "Erfahrung" ist als soziologische Kategorie bisher bei der Analyse antiker Kriege nur in Ansätzen eingesetzt worden (Sammelbände über "Die Erfahrung des Krieges" (2001) sowie "Kriegsniederlagen - Erfahrung und Erinnerung" (2004) sparen die Antike aus). Das Forschungsprojekt setzt sich zum Ziel, dieses Defizit zu beheben und damit den Anschluss an neuzeitliche Analysen herzustellen. Unter kritischer Zuhilfenahme amerikanischer Psychohistorie (Shay/Tritle) sollen anhand von Fallbeispielen die Vorprägungen des Bewusstseins der am Krieg beteiligten gesellschaftlichen Gruppen eruiert, die durch das Kriegserlebnis bewirkten Veränderungen erfasst und die Mechanismen erklärt werden, mit denen antike Gesellschaften auf diese Veränderungen reagierten, um unter Wahrung des Kriegsmonopols ihre Kriegsbereitschaft zu sichern und ihre männliche Jugend für den Krieg zu konditionieren.