.:Dissertationsprojekt

Kommerz, Kultur und Politik.
Die Politisierung des westdeutschen Buchmarktes um ,1968'

Mag die Kapitalismuskritik der Außerparlamentarischen Opposition in vielen Fällen recht abstrakt geblieben sein: In den sechziger und siebziger Jahren wurden Buchmarkt und Literaturbetrieb zu dem ökonomischen Teilsektor, in dem man versuchte, Kritik in Praxis zu überführen. Ehemalige Protestakteure stritten nun für die Etablierung alternativer Verlags-, Verbands- und Buchhandelsstrukturen, die auf Mitbestimmung oder Selbstverwaltung setzen sollten. Grundlegend hierfür war eine sich in den 1960er Jahren ausbildende kritische Wahrnehmung der etablierten Buchhandelsstrukturen. Dass die Organisationen des Buchhandels sowie die Arbeitsbeziehungen zwischen Verlegern, Lektoren und Autoren reformbedürftig seien, war zunehmend Konsens in der Branche. Die Untersuchung wendet sich daher an ausgewählten Fallbeispielen der Kritik des Buchmarktes zu und versucht, den Zusammenhang zwischen Protestaktionen, Politisierungstendenzen und Demokratisierungsbestrebungen innerhalb des Verlagswesens und seiner Institutionen aufzuzeigen. Im Mittelpunkt stehen die Protestaktionen auf der Frankfurter Buchmesse 1967 und 1968, der "Lektorenaufstand" im Suhrkamp Verlag 1968, die langwierigen Auseinandersetzungen um einen (Autoren-)Beirat im Luchterhand Verlag, die "Gruppe Literaturproduzenten" sowie die Bestrebungen, den Börsenverein des Deutschen Buchhandels zu modernisieren.
Wie sind die Politisierungsversuche und -prozesse innerhalb des westdeutschen Buchhandels angemessen zu interpretieren, so lautet die hier im Zentrum stehende Frage: Sind sie zu erklären durch ein Übergreifen der 68er-Bewegung auf den Buchmarkt, oder ergeben sich die Politisierungen des Buchmarktes ganz im Gegenteil aus strukturellen Problemlagen und Entwicklungen innerhalb des Buchmarktes selbst? Dann wäre das Verhältnis der Buchmarkt-Politisierung zur 68er-Bewegung lediglich eines der zeitlichen Koinzidenz, aber kein kausales. Oder wirkten die Proteste der 68er-Bewegung womöglich als Auslöser und/oder als Katalysator, die solche - dem Buchmarkt inhärenten - Entwicklungen beschleunigten und im Modus des Politischen zum Ausdruck brachten?