Werthers Verurteilung der "sittlichen Menschen", die an den
Trunkenen vorbeigehen "wie der Priester" und Gott danken
"wie der Pharisäer", dass er sie nicht ebenso gemacht hat,
bezieht sich auf das Neue Testament, Evangelium des Lukas,
Kap. 10, Vers 31 und Kap. 18, Vers 11. Der vorbeigehende
Priester lässt den Beraubten im Gleichnis vom Barmherzigen
Samariter hilflos liegen, und der Pharisäer dankt Gott im
Gleichnis vom Pharisäer und Zöllner, dass er kein Räuber,
Betrüger oder Zöllner ist. Der Zöllner jedoch bittet Gott
nur um Gnade. Die Auskunft von Jesus dazu: Wer sich selbst
erhöht, der wird erniedrigt werden, und wer sich selbst
erniedrigt, der wird erhöht werden.
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Die "Krankheit zum Tode", wie Werther die Selbstmord-Neigung
nennt, könnte ein Anklang an das Neue Testament, Evangelium
des Johannes, Kap. 11, Vers.4, sein. Dort allerdings heißt es,
die Krankheit (des Lazarus) führe nicht zum Tod, sondern diene
der Ehre Gottes. Denn als Lazarus stirbt, weckt Jesus ihn wieder
auf und gewinnt so weitere Anhänger. - Dass Sören Kierkegaard
seine 1849 erschienene Schrift über die Verzweiflung "Die
Krankheit zum Tode" betitelt (Sygdommen til döden), könnte
eine Entlehnung aus dem 'Werther' sein.