
Unglüklicher! Bist du nicht ein Thor? Betrügst du dich nicht selbst?
Was soll all diese tobende endlose Leidenschaft? Ich habe kein Gebet
mehr, als an sie, meiner Einbildungskraft erscheint keine andere
Gestalt als die ihrige, und alles in der Welt um mich her, sehe ich
nur im Verhältnisse mit ihr. Und das macht mir denn so manche
glükliche Stunde - Bis ich mich wieder von ihr losreißen muß, ach
Wilhelm, wozu mich mein Herz oft drängt! - Wenn ich so bey ihr
gesessen bin, zwey, drey Stunden, und mich an der Gestalt, an dem
Betragen, an dem himmlischen Ausdruk ihrer Worte geweidet habe, und
nun so nach und nach alle meine Sinnen aufgespannt werden, mir's
düster vor den Augen wird, ich kaum was noch höre, und mich's an die
Gurgel faßt, wie ein Meuchelmörder, dann mein Herz in wilden Schlägen
den bedrängten Sinnen Luft zu machen sucht und ihre Verwirrung
vermehrt. Wilhelm, ich weis oft nicht, ob ich auf der Welt bin! Und
wenn nicht manchmal die Wehmuth das Uebergewicht nimmt, und Lotte mir
den elenden Trost erlaubt, auf ihrer Hand meine Beklemmung
auszuweinen, so muß ich fort! Muß hinaus! Und schweife dann weit im
Felde umher. Einen gähen Berg zu klettern, ist dann meine Freude,
durch einen unwegsamen Wald einen Pfad durchzuarbeiten, durch die
Hekken die mich verlezzen, durch die Dornen die mich zerreissen! Da
wird mir's etwas besser! Etwas! Und wenn ich für Müdigkeit und Durst
manchsmal unterwegs liegen bleibe, manchmal in der tiefen Nacht, wenn
der hohe Vollmond über mir steht, im einsamen Walde auf einem
krumgewachsnen Baum mich sezze, um meinen verwundeten Solen nur einige
Linderung zu verschaffen, und dann in einer ermattenden Ruhe in dem
Dämmerscheine hinschlummre! O Wilhelm! Die einsame Wohnung einer
Zelle, das härne Gewand und der Stachelgürtel, wären Labsale, nach
denen meine Seele schmachtet. Adieu. Ich seh all dieses Elends kein
Ende als das Grab.