Albert ist angekommen, und ich werde gehen, und wenn er der beste, der
edelste Mensch wäre, unter den ich mich in allem Betracht zu stellen
bereit wäre, so wär's unerträglich, ihn vor meinem Angesichte im
Besizze so vieler Vollkommenheiten zu sehen. Besiz! - Genug, Wilhelm
der Bräutigam ist da. Ein braver lieber Kerl, dem man gut seyn
muß. Glüklicher weise war ich nicht bey'm Empfange! Das hätte mir das
Herz zerrissen. Auch ist er so ehrlich und hat Lotten in meiner
Gegenwart noch nicht einmal geküßt. Das lohn ihm Gott! Um des Respekts
willen, den er vor dem Mädgen hat, muß ich ihn lieben. Er will mir
wohl, und ich vermuthe, das ist Lottens Werk, mehr als seiner eigenen
Empfindung, denn darinn sind die Weiber fein, und haben recht. Wenn
sie zwey Kerls in guten Vernehmen mit einander halten können, ist der
Vortheil immer ihre, so selten es auch angeht.
Indeß kann ich Alberten meine Achtung nicht versagen, seine gelassne
Aussenseite, sticht gegen die Unruhe meines Charakters sehr lebhaft
ab, die sich nicht verbergen läßt, er hat viel Gefühl und weis, was er
an Lotten hat. Er scheint wenig üble Laune zu haben, und du weist, das
ist die Sünde, die ich ärger hasse am Menschen als alle andre.
Er hält mich für einen Menschen von Sinn, und meine Anhänglichkeit an
Lotten, meine warme Freude, die ich an all ihren Handlungen habe
vermehrt seinen Triumph, und er liebt sie nur desto mehr. Ob er sie
nicht manchmal heimlich mit kleiner Eifersüchteley peinigt, das laß
ich dahin gestellt seyn, wenigstens an seinem Plazze würde ich nicht
ganz sicher vor dem Teufel bleiben.
Dem sey nun wie ihm wolle, meine Freude bey Lotten zu seyn, ist hin!
Soll ich das Thorheit nennen oder Verblendung? - Was braucht's Nahmen!
Erzählt die Sache an sich! - Ich wuste alles, was ich jezt weis, eh
Albert kam, ich wuste, daß ich keine Prätensionen auf sie zu machen
hatte, machte auch keine - Heist das, insofern es möglich ist, bey so
viel Liebenswürdigkeiten nicht zu begehren - Und jezt macht der Frazze
grosse Augen, da der andere nun wirklich kommt, und ihm das Mädgen
wegnimmt.
Ich beisse die Zähne auf einander und spotte über mein
Elend, und spottete derer doppelt und dreyfach, die sagen könnten, ich
sollte mich resigniren, und weil's nun einmal nicht anders seyn
könnte. - Schafft mir die Kerls vom Hals! - Ich laufe in den Wäldern
herum, und wenn ich zu Lotten komme, und Albert so bey ihr sizt im
Gärtgen unter der Laube, und ich nicht weiter kann, so bin ich
ausgelassen närrisch, und fange viel Possen, viel verwirrtes Zeug
an. Um Gottes willen, sagte mir Lotte heute, ich bitte Sie! keine
Scene wie die von gestern Abend! sie sind fürchterlich, wenn sie so
lustig sind. Unter uns, ich passe die Zeit ab, wenn er zu thun hat,
wutsch! bin ich draus, und da ist mir's immer wohl, wenn ich sie
allein finde.
