
Es ist wahr, wenn meine Krankheit zu heilen wäre, so würden diese
Menschen es thun. Heut ist mein Geburtstag, und in aller Frühe
empfang ich ein Päkgen von Alberten. Mir fällt bey'm Eröfnen sogleich
eine der blaßrothen Schleifen in die Augen, die Lotte vorhatte, als
ich sie kennen lernte, und um die ich sie seither etlichemal gebeten
hatte. Es waren zwey Büchelgen in duodez dabey, der kleine
Wetsteinische Homer, ein Büchelgen, nach dem ich so oft verlangt, um
mich auf dem Spaziergänge mit dem Ernestischen nicht zu
schleppen. Sieh! so kommen sie meinen Wünschen zuvor, so suchen sie
all die kleinen Gefälligkeiten der Freundschaft auf, die tausendmal
werther sind als jene blendende Geschenke, wodurch uns die Eitelkeit
des Gebers erniedrigt. Ich küsse diese Schleife tausendmal, und mit
jedem Athemzuge schlürfe ich die Erinnerung jener Seligkeiten ein, mit
denen mich jene wenige, glückliche, unwiederbringliche Tage
überfüllten. Wilhelm es ist so, und ich murre nicht, die Blüthen des
Lebens sind nur Erscheinungen! wie viele gehn vorüber, ohne eine Spur
hinter sich zu lassen, wie wenige sezzen Frucht an, und wie wenige
dieser Früchte werden reif. Und doch sind deren noch genug da, und
doch - O mein Bruder! können wir gereifte Früchte vernachlässigen,
verachten, ungenossen verwelken und verfaulen lassen?