
Was mich am meisten nekt, sind die fatalen bürgerlichen
Verhältnisse. Zwar weis ich so gut als einer, wie nöthig der
Unterschied der Stände ist, wie viel Vortheile er mir selbst
verschafft, nur soll er mir nicht eben grad im Wege stehn, wo ich noch
ein wenig Freude, einen Schimmer von Glük auf dieser Erden geniessen
könnte. Ich lernte neulich auf dem Spaziergange ein Fräulein von
B.. kennen, ein liebenswürdiges Geschöpf, das sehr viele Natur mitten
in dem steifen Leben erhalten hat. Wir gefielen uns in unserm
Gespräche, und da wir schieden, bat ich sie um Erlaubniß, sie bey sich
sehen zu dürfen. Sie gestattete mir das mit so viel Freymüthigkeit,
daß ich den schiklichen Augenblik kaum erwarten konnte, zu ihr zu
gehen. Sie ist nicht von hier, und wohnt bey einer Tante im Hause. Die
Physiognomie der alten Schachtel gefiel mir nicht. Ich bezeigte ihr
viel Aufmerksamkeit, mein Gespräch war meist an sie gewandt, und in
minder als einer halben Stunde hatte ich so ziemlich weg, was mir das
Fräulein nachher selbst gestund: daß die liebe Tante in ihrem Alter,
und dem Mangel von allem, vom anständigen Vermögen an bis auf den
Geist keine Stüzze hat, als die Reihe ihrer Vorfahren, keinen Schirm,
als den Stand, in dem sie sich verpallisadirt, und kein Ergözzen, als
von ihrem Stokwerk herab über die bürgerlichen Häupter weg zu
sehen. In ihrer Jugend soll sie schön gewesen seyn, und ihr Leben so
weggegaukelt, erst mit ihrem Eigensinne manchen armen Jungen gequält,
und in reifern Jahren sich unter den Gehorsam eines alten Offiziers
gedukt haben, der gegen diesen Preis und einen leidlichen Unterhalt
das ehrne Jahrhundert mit ihr zubrachte, und starb, und nun sieht sie
im eisernen sich allein, und würde nicht angesehn, wär ihre Nichte
nicht so liebenswürdig.