Ich hab allerley Bekanntschaft gemacht, Gesellschaft
hab ich noch keine gefunden. Ich weiß nicht, was ich
anzügliches für die Menschen haben muß,
es mögen mich ihrer so viele, und hängen sich an mich,
und da thut mir's immer weh, wenn unser Weg nur so eine
kleine Strecke mit einander geht. Wenn Du fragst, wie die Leute hier sind?
muß ich Dir sagen: wie überall! Es ist ein einförmig
Ding ums Menschengeschlecht. Die meisten verarbeiten den grösten
Theil der Zeit, um zu leben, und das Bisgen, das ihnen von Freyheit
übrig bleibt, ängstigt sie so, daß sie alle
Mittel aufsuchen, um's los zu werden. 0 Bestimmung des Menschen!
Aber eine rechte gute Art Volks! Wann ich mich manchmal
vergesse, manchmal mit ihnen die Freuden genieße,
die so den Menschen noch gewährt sind, an einem artig besetzten Tisch,
mit aller Offen- und Treuherzigkeit sich herum zu spassen,
eine Spazierfahrt, einen Tanz zur rechten Zeit anzuordnen
und dergleichen, das thut eine ganz gute Würkung auf mich, nur
muß mir nicht einfallen, daß noch so viele andere
Kräfte in mir ruhen, die alle ungenutzt vermodern, und
die ich sorgfältig verbergen muß. Ach das engt all das Herz so
ein - Und doch! Misverstanden zu werden, ist das Schicksal von unser einem.
Ach daß die Freundin meiner Jugend dahin ist, ach daß
ich sie je gekannt habe! Ich würde zu mir sagen: du bist
ein Thor! du suchst, was hienieden nicht zu finden ist.
Aber ich hab sie gehabt, ich habe das Herz gefühlt,
die große Seele, in deren Gegenwart ich mir schien mehr
zu seyn als ich war, weil ich alles war was ich seyn konnte. Guter Gott,
blieb da eine einzige Kraft meiner Seele ungenutzt, konnt
ich nicht vor ihr all das wunderbare Gefühl entwickeln,
mit dem mein Herz die Natur umfaßt, war unser Umgang
nicht ein ewiges Weben von feinster Empfindung, schärfstem
Witze, dessen Modifikationen bis zur Unart alle mit dem
Stempel des Genies bezeichnet waren? Und nun - Ach ihre
Jahre, die sie voraus hatte, führten sie früher
an's Grab als mich. Nie werd ich ihrer vergessen, nie ihren
festen Sinn und ihre göttliche Duldung.
Vor wenig Tagen traf ich einen jungen V. . an, ein offner Junge, mit
einer gar glücklichen Gesichtsbildung. Er kommt erst von Akademien,
dünkt sich nicht eben weise, aber glaubt doch, er wüßte
mehr als andere. Auch war er fleißig, wie ich an allerley spüre,
kurz er hatt' hüpsche Kenntnisse. Da er hörte, daß ich
viel zeichnete, und Griechisch konnte, zwey Meteore hier zu Land,
wandt er sich an mich und kramte viel Wissens aus, von Batteu bis zu
Wood, von de Piles zu Winkelmann, und versicherte mich, er habe Sulzers
Theorie den ersten Theil ganz durchgelesen, und besitze ein Manuscript
von Heynen über das Studium der Antike. Ich ließ das gut seyn.
Noch gar einen braven Kerl hab ich kennen lernen, den fürstlichen Amtmann.
Einen offenen, treuherzigen Menschen. Man sagt, es soll eine Seelenfreude seyn,
ihn unter seinen Kindern zu sehen, deren er neune hat. Besonders macht man
viel Wesens von seiner ältsten Tochter. Er hat mich zu sich gebeten,
und ich will ihn ehster Tage besuchen, er wohnt auf einem fürstlichen
Jagdhofe, anderthalb Stunden von hier, wohin er, nach dem Tode seiner Frau,
zu ziehen die Erlaubniß erhielt, da ihm der Aufenthalt hier in
der Stadt und dem Amthause zu weh that.
