Was ich dir neulich von der Malerei sagte, gilt gewiß auch
von der Dichtkunst; es ist nur, daß man das Vortreffliche
erkenne und es auszusprechen wage, und das ist freilich
mit wenigem viel gesagt. Ich habe heut eine Szene gehabt,
die, rein abgeschrieben, die schönste Idylle von der Welt
gäbe; doch was soll Dichtung, Szene und Idylle? muß es
denn immer gebosselt sein, wenn wir teil an einer Naturerscheinung nehmen sollen?
Wenn du auf diesen Eingang viel Hohes und Vornehmes erwartest,
so bist du wieder übel betrogen; es ist
nichts als ein Bauerbursch, der mich zu dieser lebhaften
Teilnehmung hingerissen hat - ich werde, wie gewöhnlich,
schlecht erzählen, und du wirst mich, wie gewöhnlich,
denk ich, übertrieben finden; es ist wieder Wahlheim, und
immer Wahlheim, das diese Seltenheiten hervorbringt.
Ein Bauerbursch kam aus einem benachbarten Hause
und beschäftigte sich, an dem Pfluge, den ich neulich
gezeichnet hatte, etwas zurecht zu machen. Da mir sein
Wesen gefiel, redete ich ihn an, fragte nach seinen
Umständen, wir waren bald bekannt, und wie mir's
gewöhnlich mit dieser Art Leuten geht, bald vertraut. Er
erzählte mir, daß er bei einer Witwe in Diensten sei und
von ihr gar wohl gehalten werde. Er sprach so vieles von
ihr und lobte sie dergestalt, daß ich bald merken konnte,
er sei ihr mit Leib und Seele zugetan. Sie sei nicht mehr
jung, sagte er, sie sei von ihrem ersten Mann übel gehalten
worden, wolle nicht mehr heiraten, und aus seiner Erzählung
leuchtete so merklich hervor, wie schön, wie reizend
sie für ihn sei, wie sehr er wünsche, daß sie ihn wählen
möchte, um das Andenken der Fehler ihres ersten Mannes
auszulöschen, daß ich Wort für Wort wiederholen müßte,
um dir die reine Neigung, die Liebe und Treue dieses
Menschen anschaulich zu machen. Ja, ich müßte die Gabe
des größten Dichters besitzen, um dir zugleich den
Ausdruck seiner Gebärden, die Harmonie seiner Stimme, das
heimliche Feuer seiner Blicke lebendig darstellen zu können.
Nein, es sprechen keine Worte die Zartheit aus, die in
seinem ganzen Wesen und Ausdruck war; es ist alles nur
plump, was ich wieder vorbringen könnte. Besonders
rührte mich, wie er fürchtete, ich möchte über
sein Verhältnis zu ihr ungleich denken und an ihrer guten
Aufführung zweifeln. Wie reizend es war, wenn er von ihrer
Gestalt, von ihrem Körper sprach, der ihn ohne jugendliche
Reize gewaltsam an sich zog und fesselte, kann ich mir
nur in meiner innersten Seele wiederholen. Ich hab in
meinem Leben die dringende Begierde und das heiße
sehnliche Verlangen nicht in dieser Reinheit gesehen, ja
wohl kann ich sagen, in dieser Reinheit nicht gedacht und
geträumt. Schelte mich nicht, wenn ich dir sage, daß bei
der Erinnerung dieser Unschuld und Wahrheit mir die
innerste Seele glüht, und daß mich das Bild dieser Treue
und Zärtlichkeit überall verfolgt, und daß ich, wie selbst
davon entzündet, lechze und schmachte.
Ich will nun suchen, auch sie ehstens zu sehn, oder
vielmehr, wenn ich's recht bedenke, ich will's vermeiden.
Es ist besser, ich sehe sie durch die Augen ihres Liebhabers;
vielleicht erscheint sie mir vor meinen eigenen
Augen nicht so, wie sie jetzt vor mir steht, und warum soll
ich mir das schöne Bild verderben?
