
Sie fühlt, was ich dulde. Heute ist mir ihr Blick tief durchs
Herz gedrungen. Ich fand sie allein; ich sagte nichts und
sie sah mich an. Und ich sah nicht mehr in ihr die liebliche
Schönheit, nicht mehr das Leuchten des trefflichen Geistes,
das war alles vor meinen Augen verschwunden. Ein
weit herrlicherer Blick wirkte auf mich, voll Ausdruck des
innigsten Anteils, des süßesten Mitleidens. Warum durfte
ich mich nicht ihr zu Füßen werfen? warum durfte ich
nicht an ihrem Halse mit tausend Küssen antworten? Sie
nahm ihre Zuflucht zum Klavier und hauchte mit süßer
leiser Stimme harmonische Laute zu ihrem Spiele. Nie
habe ich ihre Lippen so reizend gesehn; es war, als wenn
sie sich lechzend öffneten, jene süßen Töne in sich zu
schlürfen, die aus dem Instrument hervorquollen, und
nur der heimliche Widerschall aus dem reinen Munde
zurückklänge - Ja, wenn ich dir das so sagen könnte! - Ich
widerstand nicht länger, neigte mich und schwur: Nie will
ich es wagen, einen Kuß euch aufzudrücken, Lippen! auf
denen die Geister des Himmels schweben - Und doch
ich will - Ha! siehst du, das steht wie eine Scheidewand
vor meiner Seele - diese Seligkeit - und dann untergegangen, diese
Sünde abzubüßen - Sünde?