
Man möchte rasend werden, Wilhelm, daß es Menschen
geben soll ohne Sinn und Gefühl an dem wenigen, was auf
Erden noch einen Wert hat. Du kennst die Nußbäume,
unter denen ich bei dem ehrlichen Pfarrer zu St... mit
Lotten gesessen, die herrlichen Nußbäume! die mich,
Gott weiß, immer mit dem größten Seelenvergnügen
füllen! Wie vertraulich sie den Pfarrhof machten, wie kühl!
und wie herrlich die Äste waren! und die Erinnerung bis
zu den ehrlichen Geistlichen, die sie vor so vielen Jahren
pflanzten. Der Schulmeister hat uns den einen Namen oft
genannt, den er von seinem Großvater gehört hatte; und
so ein braver Mann soll er gewesen sein, und sein Andenken
war mir immer heilig unter den Bäumen. Ich sage dir,
dem Schulmeister standen die Tränen in den Augen, da
wir gestern davon redeten, daß sie abgehauen worden
Abgehauen! Ich möchte toll werden, ich könnte den
Hund ermorden, der den ersten Hieb dran tat. Ich, der ich
mich vertrauern könnte, wenn so ein paar Bäume
in meinem Hofe stünden und einer davon stürbe vor Alter ab,
ich muß zusehen. Lieber Schatz, eins ist doch dabei! Was
Menschengefühl ist! Das ganze Dorf murrt, und ich hoffe,
die Frau Pfarrerin soll es an Butter und Eiern und übrigem
Zutrauen spüren, was für eine Wunde sie ihrem Orte
gegeben hat. Denn sie ist es, die Frau des neuen Pfarrers
(unser alter ist auch gestorben), ein hageres kränkliches
Geschöpf, das sehr Ursache hat, an der Welt keinen Anteil
zu nehmen, denn niemand nimmt Anteil an ihr. Eine Närrin,
die sich abgibt, gelehrt zu sein, sich in die Untersuchung des
Kanons meliert, gar viel an der neumodischen
moralisch-kritischen Reformation des Christentumes arbeitet
und über Lavaters Schwärmereien die Achseln
zuckt, eine ganz zerrüttete Gesundheit hat und
deswegen auf Gottes Erdboden keine Freude. So einer
Kreatur war es auch allein möglich, meine
Nußbäume abzuhauen. Siehst du, ich komme nicht zu mir! Stelle dir
vor, die abfallenden Blätter machen ihr den Hof unrein
und dumpfig, die Bäume nehmen ihr das Tageslicht,
und wenn die Nüsse reif sind, so werfen die Knaben mit
Steinen darnach, und das fällt ihr auf die Nerven, das
tört sie in ihren tiefen Überlegungen,
wenn sie Kennikot, Semler und Michaelis gegeneinander abwiegt. Da
ich die Leute im Dorfe, besonders die alten, so unzufrieden
sah, sagte ich: Warum habt ihr es gelitten?
Wenn der Schulze will, hier zu Lande, sagten sie, was
kann man machen? - Aber eins ist recht geschehen. Der
Schulze und der Pfarrer, der doch auch von seiner Frauen
Grillen, die ihm ohnedies die Suppen nicht fett machen,
was haben wollte, dachten es miteinander zu teilen; da
erfuhr es die Kammer und sagte: hier herein! denn sie
hatte noch alte Prätensionen an den Teil des Pfarrhofes,
wo die Bäume standen, und verkaufte sie an den Meistbietenden.
Sie liegen! O wenn ich Fürst wäre! ich wollte die
Pfarrerin, den Schulzen und die Kammer - Fürst! - Ja,
wenn ich Fürst wäre, was kümmerten mich die Bäume in
meinem Lande!