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{OSSIAN}
Zu einer leidenschaftlichen Szene, wie sie nach der Ossian-Lektüre zwischen Werther und Lotte stattfindet, ist es auch zwischen Karl Wilhelm Jerusalem und Elisabet Herd, der Frau des Gesandten von Pfalzlautern, gekommen. Kestner teilt in seinem Tagebuch darüber mit:
Man will geheime Nachrichten aus dem Munde des Secret. H... haben, daß am Mittewochen vor Jerusalems Tode, da dieser beym H... und seiner Frau zum Kaffee war, der Mann zum Gesandten gehen müssen. Nachdem der Mann wieder kömmt, bemerckt er an seiner Frau eine ausserordentliche Ernsthaftigkeit und bey Jerusalem eine Stille, welche beyde ihm sonderbar und bedencklich geschienen, zumal da er sie nach seiner Zurückkunft so sehr verändert findet. - Jerusalem geht weg. Secret. H... macht über obiges seine Betrachtungen; er faßt Argwohn, ob etwa in seiner Abwesenheit etwas ihm nachtheiliges vorgegangen sein möchte, denn er ist sehr argwöhnisch und eyfersüchtig. Er stellt sich jedoch ruhig und lustig; und will seine Frau auf die Probe stellen. Er sagt: Jerusalem habe ihn doch oft zum Essen gehabt, was sie meynte, ob sie Jerusalem nicht auch einmal zum Essen bey sich haben wollten? - Sie, die Frau, antwortet: Nein; und sie müßten den Umgang mit Jerusalem ganz abbrechen; er finge an sich so zu betragen, daß sie seinen Umgang ganz vermeiden müßte. Und sie hielte sich verbunden ihm, dem Manne, zu erzählen, was in seiner Abwesenheit vorgegangen sey. Jerusalem habe sich vor ihr auf die Knie geworfen und ihr eine förmliche Liebeserklärung thun wollen. Sie sey natürlicher Weise darüber aufgebracht worden und hätte ihm viele Vorwürfe gemacht etc. etc. Sie verlange nun, daß ihr Mann ihm, dem Jerusalem, das Haus verbieten solle, denn sie könne und wolle nichts weiter von ihm hören noch sehen.
ende