Für die "ältere Freundin", um die Werther trauert, wird für Goethe
meist auf Susanne Katharina von Klettenberg (*1723) verwiesen,
an die er sich in "Dichtung und Wahrheit" (8. und 15. Buch) mit
warmen Worten erinnert. Sie war eine Freundin seiner Mutter und
übte zumal nach seiner desaströsen Rückkehr aus Leipzig (August 1768) einen
beruhigenden Einfluss auf ihn aus. Da sie jedoch erst Ende 1774,
also nach Erscheinen des 'Werther', starb und ihr Tod nicht
vorhersehbar war, ist die Annahme, sie könne hier gemeint sein,
problematisch. - Ebenso problematisch ist aber auch der Brückenschlag
zu der Darmstädter Hofdame Henriette von Roussillon, die Goethe
nach ihrem Tod im April 1773 in einem Brief an Kestner als
"teuer-geliebte Freundin" bezeichnet. Da er in "Dichtung und Wahrheit"
(12. Buch) erzählt, sie habe ihn heimlich geliebt, er aber sei ganz
unbefangen mit ihr umgegangen, wird sie kaum älter gewesen sein als
er (ihr Geburtsjahr ist nicht ermittelt) und scheidet
aus diesem Grunde als Parallelfall aus.
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Der fürstliche Amtmann mit den neun Kindern hat sein Vorbild in
Henrich Adam Buff, Amtmann über den Landbesitz des Deutschen
Ordens zu Wetzlar und Vater von Charlotte Buff. Tatsächlich hatte
er sogar zwölf Kinder, und Lotte, auf die hier schon hingewiesen
wird, war nicht die älteste, sondern die zweitälteste Tochter.
Nachdem seine Frau vierzigjährig im Frühjahr 1771 verstorben war,
wohnte er mit den Kindern, das jüngste drei Jahre alt, er selbst 62,
zeitweilig im Nassauischen Forsthaus am Stoppelberg südlich von Wetzlar.