Gestaltungsmerkmale Zur Übersicht Zur Einzelebene Drucken der Ebene
Am 30. Mai.
Der erst in der zweiten Fassung eingeschobene Brief vom 30. Mai 1771 legt die Bauernburschen-Episode, den Mord aus Eifersucht, in der Handlung an, der als Parallelfall zu Werthers unglücklicher Liebe im Brief vom 4. September 1772 fortgesetzt und im Herausgeberbericht I zu Ende erzählt wird. Zugleich wird Werthers Liebeserlebnis damit vorbereitet - er wartet nun geradezu darauf, seinerseits eine Liebeserfahrung machen zu können.
~~~~~~~~~~~~
In der Einbindung des Briefes unterläuft Goethe allerdings ein Fehler: Werther spricht davon, dass er einen Pflug 'neulich gezeichnet hatte', während er im Brief vom 26. Mai - nur vier Tage zuvor! - mitteilt, auf dem Pflug gesessen und zwei Kinder gezeichnet zu haben. Das zeugt jedoch weniger von einem ungenauen Textstudium als vielmehr von einer um so genaueren Erinnerung. Man geht kaum fehl, wenn man annimmt, dass Goethe selbst in Garbenheim einmal einen Pflug gezeichnet hatte. Das blieb haften, während ihm die Umbildung der Szene in die Zeichnung der Kinder wieder entfiel. Wären es wirklich Kinder gewesen, die er damals dort gezeichnet hatte, es wäre ihm auch im Abstand von 15 Jahren kein Pflug als Zeichnungsobjekt dafür eingefallen - und zwar um so weniger, als der Himburgsche Nachdruck seines Werkes, den er für die Umarbeitung 1787 benutzte, als Titelvignette sogar die Situation abbildet, in der Werther, auf dem Pflug sitzend, die beiden Kinder zeichnet (Vignette siehe unter ILLUSTRATIONEN zum Brief vom 26. Mai 1771).
Die von Goethe hinterlassenen Zeichnungen zeigen Personen auch wirklich nur ausnahmsweise, die meisten bilden Landschaften und Gebäude ab. Als Beispiel eine Bleistift-Zeichnung aus der Werther-Zeit, passend etwa auf den Garten des Grafen von M., wie Werther ihn schildert.
Zeichnung Goethes aus den Jahren 1773-1775 (11,4 x 15,3 cm). (Corpus der Goethe-Zeichnungen, Bd.1. Leipzig 1958.)

ende