Die Lebenswelt /Zweiter Teil Zur Übersicht Zur Synopse Zur Einzelebene Druck
Zehntes Kapitel
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... denn er beschäftigte sich die größte Zeit des Tags, die malerischen Aussichten des Parks in einer tragbaren dunklen Kammer aufzufangen und zu zeichnen.
Die "tragbare dunkle Kammer" ist eine Camera obscura, ein schon in der Antike bekanntes Hilfsmittel, Abbildungen von Gebäuden oder Landschaften herzustellen. Das durch ein kleines Loch in die Kammer fallende Licht gibt an der Wand gegenüber die Szenerie auf dem Kopf stehend wieder und kann dort umrisshaft nachgestaltet werden. In der Neuzeit verbesserte man die Wiedergabe durch eine in das Loch gesetzte Linse, sodass ziemlich scharfe Bilder entstanden.
Eine Camera obscura in ihrer Wirkungsweise
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»... weil mein Sohn, für den ich alles eigentlich getan und eingerichtet, ... nach Indien gegangen ist, um sein Leben dort, wie mancher andere, höher zu nutzen oder gar zu vergeuden.«
Indien rückte in den europäischen Horizont, weil es im 18. Jahrhundert immer mehr zu einer britischen Kolonie wurde. Es ist deshalb zu Recht ein Engländer, der hier von dem Weggang seines Sohnes spricht. Allerdings lockten die englischen Indienfahrer allein die Handelsgewinne, von einer höheren Nutzung des Lebens konnte bei ihnen kaum die Rede sein.
Was hier anklingt, ist etwas anderes, es ist das deutsche Interesse an Indien. Das Studium der altindischen Literatur führte in Deutschland dazu, dass man das Land als ein von der Zivilisation noch nicht berührtes, noch nicht verdorbenes ansah. Herder schildert es in seinen Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit (ab 1784) als eine harmonische Welt, in der sanfte, bescheidene und schöne Menschen ganz und gar im Einklang mit der Natur leben und deshalb einig auch mit sich selbst sind. Die Generation der Romantiker, die es nach höheren oder tieferen Weltsichten verlangte, nahm das innig auf und sah in den Selbstversenkungstendenzen der indischen Philosophie einen neuen Weg der Wahrheitssuche.
Benutzte Literatur: Kahde-Luthra, Veena
Goethe, der diese Schwärmerei nicht teilte, drückt deshalb hier seine Skepsis gegenüber solchen Vorstellungen aus. Wer ihnen folgt, könnte sein Leben auch vergeuden. Dass damals tatsächlich jemand aus solchen idealen Motiven nach Indien aufgebrochen ist, dürfte allerdings kaum vorgekommen sein.