[Zweiter Abschnitt]

"Ich wollte dir eigentlich nur sagen, ... dass ich nun doch nach Petersburg meine Verlobung angezeigt habe."
Mit dem 'nun doch' erweist sich, dass Georg die Frage der Anzeige seiner Verlobung auch mit dem Vater schon besprochen hat, es sich bei
dem Brief an den Freund also nicht, wie es zunächst scheint, um einen das erste Mal an diesem Morgen erwogenen Schritt handelt.
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"Und jetzt hast du es dir wieder anders überlegt?", fragte der Vater ... "Ja, jetzt habe ich es mir wieder
überlegt ..."
An der Formulierung, Georg habe es sich mit dieser Benachrichtigung
wieder anders überlegt, zeigt sich, dass
die Entscheidung darüber schon mehrfach getroffen und korrigiert worden ist, zumal Georg auch einräumt, er habe es sich
wieder überlegt und nur das 'anders' als
Eingeständnis seiner Unentschlossenheit weglässt. Georgs Sicht der Dinge, so wie der Erzähler sie mitteilt,
entspricht also nicht den Tatsachen. Was ist dann aber die Tatsachen? Das übermäßige Bedenken hinsichtlich der Richtigkeit oder
Verkehrtheit des Briefes an den Freund, so beginnt sich zu zeigen, ist eine Art Zwangsvorstellung Georgs, er scheint weit mehr auf diesen Freund
fixiert zu sein, als man es bei einem realen Menschen für möglich halten möchte. Ist dieser Freund also möglicherweise nur
ein Teil seiner selbst, dem er sich in irgendeiner Weise verpflichtet fühlt? Wagt er gewissermaßen sich selbst nicht einzugestehen,
dass er sich verlobt hat?
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"... Du bist wegen dieser Sache zu mir gekommen, um dich mit mir zu beraten. ..."
Von dem Wunsch nach einer Beratung hat Georg nichts gesagt, er hat den Vater nur unterrichten, ihn gewissermaßen vor vollendete
Tatsachen stellen wollen. Das will der Vater wegen der weitreichenden Konsequenzen, die die Mitteilung der Verlobung an den Freund zu
haben scheint, aber offenbar nicht dulden.
"... Es ist eine Kleinigkeit, es ist nicht des Atems wert, also täusche mich nicht. Hast du wirklich diesen Freund in Petersburg?"
Die Frage des Vaters - hält man sie für tatsächlich an Georg gestellt - lässt nur die Deutung zu, dass entweder der
Vater oder Georg die Wirklichkeit verfehlt. Wäre es der Vater, so bedeutete das, dass er verwirrt ist, sich nichts mehr merken kann oder
überhaupt von seinem Sohn nichts weiß. Läge er mit seiner misstrauischen Frage aber richtig, so wäre Georg
verwirrt, in Einbildungen befangen, nicht in der Lage, Tatsächliches von nur Empfundenem zu trennen. Da nun aber Georgs Wahrnehmungen auch
zuvor schon lückenhaft erscheinen, ist wohl eher er derjenige, der hier auf den 'Boden der Tatsachen' heruntergeholt wird. Entweder gibt es diesen
Freund gar nicht oder der, von dem die Rede ist, ist nicht sein Freund.